Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Ansprüche aus einem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz in der vormaligen DDR. Anspruchsberechtigung bei Wohnsitznahme in Westberlin vor dem maßgeblichen Stichtag für die Beurteilung des Vorliegens einer Versorgungszusage

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz kommt für einen Versicherten, der seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet (Berlin West) bereits am 7. Oktober 1989 genommen hat, über keine Versorgungszusage und keine positive Rehabilitierungsentscheidung verfügt, auch dann nicht in Betracht, wenn er von seinem letzten Arbeitgeber in der ehemaligen DDR unbezahlt von der Arbeit freigestellt worden ist.

 

Orientierungssatz

Eine fiktive Versorgungszusage für das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz der vormaligen DDR kommt nur dann in Betracht, wenn zum Stichtag am 30.6.1990 noch eine entsprechende Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wurde. Dabei ist von einer tatsächlichen Ausübung nicht auszugehen, wenn zwar noch ein Arbeitsverhältnis formal bestand, im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses allerdings keine Tätigkeit mehr verrichtet wurde.

 

Normenkette

AAÜG § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 2, 3 S. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 1; AGB-DDR § 278 Abs. 1 S. 1; SVO §§ 3, 4 S. 1; SGB IV § 7 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.02.2017; Aktenzeichen B 5 RS 4/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.08.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, die vom Kläger in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) anzuerkennen sowie die dabei erzielten Entgelte festzustellen.

Dem im Februar 1943 geborenen Kläger wurde ausweislich der Urkunde der Technischen Hochschule G. M-Stadt vom 30. August 1968 der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" in der Fachrichtung Fertigungstechnik verliehen. Er war nach seinen eigenen Angaben ab 1. Oktober 1968 als Diplom-Ingenieur bzw. Gruppenleiter Verfahrensentwicklung, Abteilungsleiter, Assistent des technischen Direktors, Abteilungsleiter Fertigungsvorbereitung und zuletzt von Januar 1983 bis 31. Oktober 1989 als Abteilungsleiter technisches Rechenzentrum tätig. Ab 1. November 1989 habe das Arbeitsverhältnis geruht.

Im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung vom 3. Januar 1977 findet sich für das Jahr 1988 die letzte vollständige Eintragung. Hier wurde vom VEB W. U. G-Stadt eine Tätigkeit als Abteilungsleiter vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1988 bestätigt sowie Angaben zu den Arbeitsausfalltagen, dem beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst sowie dem Verdienst, für den Beiträge zur FZR abgeführt worden sind, gemacht. Für das Jahr 1989 ist nur noch der Beginn der Tätigkeit mit 1. Januar 1989 angegeben und die Tätigkeit als Abteilungsleiter bezeichnet. Eine Eintragung in die für das Jahr 1989 vorgesehene Zeile für das Ende der Tätigkeit, für Arbeitsausfalltage, für den beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst und den Verdienst, für den Beiträge zur FZR abgeführt worden sind, fehlt. Für das Jahr 1990 ist keine Eintragung mehr vorhanden.

Mit Schreiben vom 10. September 2013 beantragte der Kläger die Gewährung einer "Intelligenzrente". Er habe als Abteilungsleiter technologische Arbeitsvorbereitung im VEB W. U. G-Stadt gearbeitet. Der Arbeitsvertrag sei bis zur Umwandlung der Rechtsform in 1991 gültig gewesen. Der VEB W. U. G-Stadt sei nach dem 30. Juni 1990 in eine neue Rechtsform überführt worden.

In einem dem Kläger daraufhin übersandten Formblattantrag gab er an, es lägen keine Zusatzversorgungszeiten vor, für die Nachweise nicht erbracht werden könnten. Auch seien keine Zeiten aus einem Zusatzversorgungssystem in die FZR übertragen worden. Die Frage, ob der Kläger anerkannter Verfolgter im Sinne des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet sei, wurde nicht beantwortet; eine für den Fall der Bejahung dieser Frage erbetene Bescheinigung der Rehabilitationsbehörde wurde jedoch nicht vorgelegt. Übersandt wurden hingegen die Diplomurkunde sowie die Urkunde über die Verleihung des akademischen Grades Dr. Ing., zahlreiche Arbeitsverträge, Nachweise über Beitragszahlungen, Entgeltbescheinigungen, das Arbeitsbuch sowie der Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung.

Mit angefochtenem Bescheid vom 18. November 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab, da die Voraussetzungen des § 1 AAÜG nicht erfüllt seien. Der Kläger habe bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keine V...

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