Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. fingierte Versorgungsanwartschaft bei einem am Stichtag 30.6.1990 aufgrund der Wahl in die Volkskammer der DDR bereits mehr als drei Wochen freigestellten Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Das am 1.8.1991 (bei Inkrafttreten des AAÜG) geltende Bundesrecht bot keine Grundlage für eine nachträgliche fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, wenn der Arbeitnehmer am Stichtag 30.6.1990 bereits mehr als drei Wochen von der Arbeit freigestellt war. Das gilt auch dann, wenn die Freistellung vor dem Hintergrund der Wahl in die Volkskammer der ehemaligen DDR erfolgt ist.

 

Orientierungssatz

Der an das Inkrafttreten des Neueinbeziehungsverbots anknüpfende Stichtag des 30.6.1990 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG (vgl BVerfG vom 26.10.2005 - 1 BvR 1921/04 ua = SozR 4-8560 § 22 Nr 1).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Streitig ist im Wege eines Überprüfungsverfahrens, ob die Beklagte als Versorgungsträger verpflichtet ist, den Zeitraum vom 19. Februar 1973 bis 31. Mai 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem nach Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (technische Intelligenz) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte festzustellen.

Der im März 1950 geborene Kläger erwarb im Februar 1973 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur (Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie) zu führen; darüber hinaus im Oktober 1975 den akademischen Grad Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Technologie des Maschinenbaus. Im April 1986 wurde ihm ferner der akademische Grad des Dr.-Ing. verliehen.

Ab dem 19. Februar 1973 war er als Technologe und ab dem 1. Juni 1983 als Gruppenleiter CAD-CAM-Einsatzvorbereitung im VEB N. B-Stadt (VEB NAGEMA), einem Kombinatsbetrieb des VEB Kombinat A. beschäftigt, der ab 1976 zum VEB Kombinat NAGEMA gehörte.

Am 18. März 1990 wurde der Kläger zum Abgeordneten der ersten freigewählten Volkskammer der ehemaligen DDR gewählt. Am 11. Juni 1990 schloss er mit dem VEB NAGEMA eine Vereinbarung, nach der mit Wirkung vom 1. Juni 1990 auf der Grundlage von § 3 des Gesetzes über Rechtsverhältnisse der Abgeordneten der Volkskammer der DDR vom 31. Mai 1990 (VKAbgG) ein „ruhendes Arbeitsrechtsverhältnis bis zur Beendigung seiner Mandatsausübung“ vereinbart wurde. Der Kläger übte sein Mandat über den 30. Juni 1990 hinaus aus.

Am 8. Mai 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften zur technischen Intelligenz für die Zeit vom 19. Februar 1973 bis zum 14. März 1990. Die Beklagte lehnte den Antrag mit bestandskräftigen Bescheid vom 24. September 2003 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab. Eine Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sei nicht festzustellen, da ihm keine Versorgungszusage erteilt und am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die dem Kreis der obligatorischen Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre.

Am 7. Dezember 2015 beantragte der Kläger erneut die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Bescheid vom 25. Januar 2016 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag des Klägers ab. Der Bescheid vom 24. September 2003 sei rechtmäßig und könne daher nicht nach § 44 SGB X aufgehoben werden. Der Kläger sei am 30. Juni 1990 Abgeordneter der Volkskammer gewesen, die weder ein volkseigener Produktionsbetrieb noch ein gleichgestellter Betrieb gewesen sei. Außerdem habe er am 30. Juni 1990 keine seiner Berufsbezeichnung als Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt.

Hiergegen erhob der Kläger am 12. Februar 2016 Widerspruch. Die Beklagte verkenne die besonderen Umstände des Falls. Zwar habe er am sogenannten Stichtag nicht als Ingenieur in einem volkseigenen Produktionsbetrieb gearbeitet, jedoch nur wegen der Annahme und Ausübung des Volkskammermandats. Sein Arbeitsverhältnis habe nur geruht und sei indirekt weitergeführt worden. Gemäß § 3 Abs. 5 VKAbgG sei die Zeit der Mitgliedschaft in der Volkskammer auf die Berufs-, Betriebs- bzw. Wirtschaftszweigzugehörigkeit anzurechnen. Gemäß § 2 VKAbgG dürften Abgeordneten im Zusammenhang mit der Annahme und Ausübung des Mandats keinerlei Nachteile am Arbeitsplatz entstehen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2016 zurück. Er sei am 30. Juni 1990 Abgeordneter der Volkskammer gewesen und habe somit nicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 angehört. Auch sei dem Kläger vor seiner Wahl keine positive Versorgungszusage erteilt worden, die für die Dauer des Mandats hätte weiterbestehen können. Das ruhende Arbeit...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge