Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Erwerbsminderung. Berufsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Normenkette
SGB VI § 43 Abs. 1-2, § 240 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 17. August 2009 insoweit aufgehoben, als für die Zeit ab 1. Juni 2006 unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2009 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt worden ist.
Die Beklagte wird entsprechend ihrem Anerkenntnis unter Aufhebung des Bescheides vom 31. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2006 verurteilt, der Klägerin auf Grund eines am 23. September 2009 eingetretenen Leistungsfalles ab 1. Oktober 2009 bis 31. Oktober 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin 1/3 der entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1950 in Kasachstan geborene Klägerin siedelte 1988 in die Bundesrepublik Deutschland über (Vertriebenenausweis A). In ihrer früheren Heimat verrichtete sie Tätigkeiten als angelernte Operateurin in einem Rechenzentrum, Lagerarbeiterin, Sekretärin/Schreibkraft und Sanitäterin. Nach ihrer Übersiedlung war sie zunächst als Briefsortiererin und zuletzt langjährig als Reinigungskraft tätig. Das Arbeitsverhältnis endete 2004 nach längerer Arbeitsunfähigkeit, in Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzkonflikt.
Ihren am 31.05.2006 gestellten Rentenantrag begründete die Klägerin mit Bandscheibenvorfällen, WS-Problemen, Polyarthrose am ganzen Körper, Fibromyalgie, Bluthochdruck und Osteoporose.
Nach Eingang von Befundbericht und ärztlichen Unterlagen des behandelnden Arztes Dr. P. ließ die Beklagte die Klägerin durch die Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizin R. untersuchen und begutachten. Diese erhob die Diagnosen:
1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
2. Übergewicht
3. Bluthochdruck
4. chronisches HWS-Syndrom mit deutlicher Bewegungseinschränkung bei Osteochondrose Uncovertebralarthrose, BSV C 4/5, C6/7
5. chronisches Lumbalsyndrom bei Spondylarthrose des lumbosakralen Übergangs
6. Cox- und Gonarthrose beidseits
7. Osteoporose.
Sie führte aus, dass die in umfangreicher ärztlicher Behandlung stehende Klägerin bei der Untersuchung keine tiefgreifende Depression oder Angstsymptomatik gezeigt habe. Dringend notwendig sei eine Gewichtsreduktion. Leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne Nachtschicht und ohne besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit könne die Klägerin noch sechs Stunden täglich und mehr verrichten (Gutachten vom 03.07.2006).
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag, gestützt auf dieses Gutachten, mit Bescheid vom 14.07.2006 ab.
Mit ihrem Widerspruch verwies die Klägerin unter Vorlage zahlreicher Unterlagen über bildgebende Verfahren aus den Jahren 2003 bis 2006 u.a. auf unerträgliche Schmerzen im gesamten Bewegungsapparat. Nach prüfärztlicher Stellungnahme wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2006 zurück. Es liege keine Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI vor, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit könnten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden. Wegen der umfassenden Beweiserhebung und medizinischen Dokumentation sei weitere medizinische Sachaufklärung nicht notwendig. Auch teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht, da die Klägerin nach ihrem Berufsbild auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) trug die Klägerin vor, sie könne keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Sie leide an ständigen starken Schmerzen und einer erheblich verminderten körperlichen Beweglichkeit. Sie könne nicht mehr als 100 m gehen und nicht lange stehen und benötige im täglichen Leben häufig die Hilfe ihres Ehemannes. Wegen Schlafstörungen bestünden außerdem starke Konzentrationsstörungen.
Das SG zog die Schwerbehindertenakten des Versorgungsamts A-Stadt bei (GdB 50) und holte Befundberichte und ärztliche Unterlagen der behandelnden Allgemeinärzte Dr. P. ("multiple Gelenkbeschwerden, diffuse Muskelschmerzen, Ganzkörperschmerz") und Dr. R. ("unveränderte Befunde"), des Internisten Dr. W. ("Befundverbesserung durch Behandlung, weniger Muskel- und Gelenkschmerzen") und des Nervenarztes Dr. P. ein. Es beauftragte Prof. Dr. F. mit der Erstellung des internistisch-rheumatologischen Gutachtens vom 06.11.2008. Die Klägerin klagte bei der Untersuchung über seit 1998 bestehende Gelenkbeschwerden, die trotz multipler Therapien sich nicht dauerhaft gebessert hätten, Wirbelsäulen- und Weichteilschmerzen seien hinzugetreten; aktuell leide sie an einem Gesamtkörpers...