Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Verpflichtung eines im Krankenhaus angestellten Chefarztes zur Teilnahme am allgemeinen vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst
Leitsatz (amtlich)
1. Ein im Krankenhaus angestellter Chefarzt, der gleichzeitig mit einem hälftigen Versorgungsauftrag an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, ist nach § 2 Abs 1 Nr 1 der Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (BDO-KVB) grundsätzlich verpflichtet, am allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen.
2. Ein Anspruch auf Befreiung nach § 14 BDO-KVB ergibt sich nicht aus der Verpflichtung, am stationären und ambulanten Bereitschaftsdienst der Klinik teilzunehmen. Der Arzt ist insoweit nicht mit einem Belegarzt, der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig wird, zu vergleichen.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Juni 2018, S 38 KA 360/17, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme am allgemeinen vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst.
Der Kläger nimmt seit dem 01.04.2016 im Rahmen einer hälftigen Sonderbedarfszulassung als Facharzt für Urologie in M-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Gleichzeitig ist er Chefarzt am Klinikum M-Stadt im Angestelltenverhältnis (Teilzeit) und führt dort zusammen mit seinem Gemeinschaftspraxispartner (ebenfalls hälftige Sonderbedarfszulassung und Teilzeit am Klinikum) die urologische Abteilung. Zuvor war er im Rahmen einer Ermächtigung tätig.
Mit Zuordnungsbescheid vom 04.04.2016 wurde der Kläger zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstgruppe Pilotregion B-C (jetzt Bereitschaftsdienstgruppe Region B-C) zum 01.07.2016 verpflichtet (Anrechnungsfaktor 0,5). Den hiergegen eingelegten Widerspruch wertete die Beklagte im Einverständnis mit dem Kläger als Antrag auf Befreiung vom organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst. Zur Begründung des Antrages trug der Kläger vor, er habe im Rahmen der Chefarzttätigkeit an der Klinik 10-15 Bereitschaftsdienste pro Monat abzuleisten. Dabei handle es sich um jeweils bis zu 24 Stunden andauernde, durchgehende Rufbereitschaftsdienste. Diese deckten sämtliche anfallenden urologischen Notfälle inklusive Notfalloperationen Tag und Nacht ab und würden auch ganze Wochenenden mit einbeziehen. Diese Situation sei deutschlandweit einmalig. Es finde sowohl eine stationäre als auch ambulante Versorgung für Patienten im Umkreis von 30 km statt. Dies sei vergleichbar mit einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer Belegarzttätigkeit, woraus sich jeweils ein Anspruch auf Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ergebe.
Mit Bescheid vom 30.06.2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 05.07.2017). Die Beklagte führte aus, die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 14 Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (BDO-KVB) lägen nicht vor. Zwar seien die dort genannten Beispiele nicht abschließend, der Kläger habe aber weder einen besonderen Versorgungsauftrag noch führe er eine belegärztliche Tätigkeit aus. Die vertragsärztlichen Pflichten hätten grundsätzlich Vorrang vor weiteren Tätigkeiten. Die Tätigkeit in anderen Versorgungsbereichen dürfe nicht dazu führen, dass der Vertragsarzt seinen vertragsärztlichen Verpflichtungen nicht nachkomme. Es stehe in eigener Verantwortung des Arztes, die unterschiedlichen Verpflichtungen miteinander in Einklang zu bringen, wobei dem Vertragsarzt in erster Linie die ambulante Versorgung der Versicherten obliege. Die klinische Tätigkeit des Klägers sei als Nebentätigkeit anzusehen, die zwar vom Kassenarztrecht geduldet werde, ihn aber nicht von der Erfüllung seiner Pflichten abhalten dürfe. Hinzu komme, dass die Einteilung zumutbar sei, da sie lang genug im Voraus feststehe, die Einteilungsfrequenz mit 35 Dienststunden jährlich niedrig und auch eine Teilnahme durch einen Vertreter oder sog. "Poolarzt" möglich sei.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage zum Sozialgericht München (SG). Zur Begründung werden im Wesentlichen die bereits vorgebrachten Argumente vertieft. Der Kläger halte zusammen mit seinem Kollegen im Rahmen der Chefarzttätigkeit ganzjährig einen stationären und ambulanten Bereitschaftsdienst vor. Deshalb sei die Tätigkeit des Klägers mit der eines Belegarztes vergleichbar mit der Folge einer analogen Anwendung des Befreiungsgrundes nach § 14 Abs. 1 S. 2 lit. e BDO-KVB (in der bis 09.03.2018 geltenden Fassung; im Folgenden aF). Die Beklagte habe die Besonderheiten des Einzelfalles nicht ausreichend berücksichtigt. Aufgrund der personell nur spärlich besetzten Hauptabteilung des Krankenhauses bestehe für ihn an jedem zweiten Tag Rufbereitschaft. Die Doppelbelastung mit dem zusätzlichen KV-Bereitschaftsdien...