Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheinselbständigkeit in Call-Center
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung abhängige Beschäftigung - selbständige Tätigkeit
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18. März 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine mittlerweile beendete Tätigkeit des Beigeladenen als Telefonkraft in einem Call-Center als beitragspflichtige Beschäftigung zu qualifizieren ist.
1. Die Klägerin ist ein in A-Stadt ansässiges Unternehmen mit dem für den streitigen Zeitraum handelsregisterlich eingetragenen Geschäftszweck "Konzeption und Durchführung von Absatzförderungsmaßnahmen, sowie Überwachung in der Ausführungsphase - Direktvertrieb von Drittprodukten und Dienstleistungen über eigene Telefonmarketingzentrale -Übernahme von Aufgabenbereichen im Vertriebs- und Marketingwesen von dritten Unternehmen". Sie betreibt u. a. ein Call-Center, für das der Beigeladene vom 09.06.2000 bis 01.06.2001 tätig war. Seine Aufgabe bestand im Wesentlichen in der Vermarktung einer Frankiermaschine für den gewerblichen Gebrauch des Herstellers P.. Die Maschine war für die damals anstehende DM/Euro-Umstellung speziell eingerichtet und sollte mit Hilfe der Klägerin zeitnah intensiv in den Fachverkauf gebracht werden.
Die Klägerin beantragte am 09.08.2000, den sozialversicherungsrechtlichen Status mehrerer in ihrem Call-Center für das P.-Projekt Tätiger, zu denen auch der Beigeladene zählte, als nicht beitragspflichtig festzustellen. Mit am 12.12.2000 bei der Beklagten eingegangenem Antrag begehrte der Beigeladene die gleiche Feststellung und gab dazu an, er sei für die Klägerin sowie für weitere Auftraggeber im Telefon-Marketing tätig und mit der Erstellung von Konzepten sowie mit der Unterstützung in Vertrieb und Verkauf betraut. Nach Auswertung der Angaben des Beigeladenen im Anhörungsverfahren stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17.09.2001 gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen eine beitragspflichtige Tätigkeit fest. Die Klägerin stelle kostenlos alle Arbeitsmittel zur Verfügung und mache Vorgaben zu Art und Umfang der Tätigkeiten und wohl ebenso zur zeitlichen Ausgestaltung. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht zu erkennen, eigene Betriebsmittel des Beigeladenen seien nicht vorhanden.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Beigeladene vor, er sei seit jeher selbständig tätig, insbesondere seit 1995 als Handelsvertreter für Haushaltswaren ebenso wie als Propagandist für Autopflegemittel oder als Reisevermittler, er sei als Selbständiger einkommens- und umsatzsteuerpflichtig und habe mehrere anderweitige Auftraggeber mit erheblichen Umsatzhöhen. Die Klägerin hat vorgebracht, die für sie freiberuflich im Telefonmarketing Tätigen legten - anders als die im Call-Center fest angestellten Mitarbeiter - selbst fest, ob und wann sie für die Klägerin arbeiten. Sie seien nur in Outbound-Gesprächen und nicht für eingehende Anrufe eingesetzt, hätten die Wahl, im Call-Center oder aber von zu Hause aus zu telefonieren, unterlägen in den Gesprächen keiner Kontrolle und hätten allenfalls allgemeine Vorgaben und Hinweise, aber keine Weisungen erhalten.
Den abweisendem Widerspruchsbescheid vom 08.09.2004 begründete die Beklagte damit, dass eine abhängige Beschäftigung bestehe, weil der Beigeladene kein eigenes Kapital einsetze , kein Unternehmerrisiko trage, funktionsgerecht in einen vorgegebenen Betriebsablauf eingegliedert und an einem für ihn freigehaltenen Arbeitsplatz der Klägerin tätig sei.
2. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben, Feststellung einer nicht abhängigen Tätigkeit des Beigeladenen für die Zeit 09.06.2000 bis 01.06.2001 beantragt im wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens.
Auf Anfrage des Gerichts hat der Beigeladene erläutert, im streitigen Zeitraum habe er neben der Klägerin weitere acht Auftraggeber akquiriert, über ein selbst ausgestattetes home-office verfügt, eine Stundenvergütung von 25,00 DM, später 28,00 DM und nochmals später 24,00 DM zuzüglich Erfolgsprovision pro verkaufter Frankiermaschine erhalten, keine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen und im Falle der Verhinderung keinen Vergütungsanspruch gehabt. Die fast ausschließliche Tätigkeit habe in der Vermarktung der Frankiermaschine P. bestanden, was aus technischen Gründen nur vom Call-Center der Klägerin zu bewerkstelligen gewesen sei. Dazu habe er mit der Klägerin die Arbeitszeit verabredet, die die Klägerin in eine Wochenliste eingetragen habe. Nach diesen Listen habe die Klägerin auch die Arbeitsplätze des Call-Centers verteilt und ausgerichtet. Es habe eine Berichtspflicht für die erledigten Telefonate bestanden im Projekt für die Firma P.. Diese Firma habe auch die Telefonkräfte im Call-Center zur Art der zu führenden Telefonate eingeführt bzw. angewiesen sowie einen Leitfaden ausgege...