Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheinselbständigkeit in Call-Centern
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung abhängige Beschäftigung - selbständige Tätigkeit
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.06.2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine mittlerweile beendete Tätigkeit der Beigeladenen als Telefonkraft in einem Call-Center als beitragspflichtige Beschäftigung zu qualifizieren ist.
1. Die Klägerin ist ein in A-Stadt ansässiges Unternehmen mit dem für den streitigen Zeitraum handelsregisterlich eingetragenen Geschäftszweck "Konzeption und Durchführung von Absatzförderungsmaßnahmen, sowie Überwachung in der Ausführungsphase - Direktvertrieb von Drittprodukten und Dienstleistungen über eigene Telefonmarketingzentrale -Übernahme von Aufgabenbereichen im Vertriebs- und Marketingwesen von dritten Unternehmen". Sie betreibt u. a. ein Call-Center, für das die Beigeladene vom 14.08.2000 bis 18.01.2001 tätig war. Ihre Aufgabe bestand im Wesentlichen in der Vermarktung einer Frankiermaschine für den gewerblichen Gebrauch des Herstellers P.. Die Maschine war für die damals anstehende DM/Euro-Umstellung speziell eingerichtet und sollte mit Hilfe der Klägerin zeitnah intensiv in den Fachverkauf gebracht werden.
Die Klägerin beantragte am 09.08.2000, den sozialversicherungsrechtlichen Status mehrerer in ihrem Call-Center für das P.-Projekt Tätiger, zu denen auch die Beigeladene zählte, als nicht beitragspflichtig festzustellen. Die Beigeladene gab dazu an, sie habe seit 1998 ein Gewerbe im Bereich Telefonmarketing angemeldet, verfüge über eigene Büroräume mit Telefon und PC und sei für die Klägerin sowie für weitere Auftraggeber tätig. Nach Auswertung der Angaben der Beteiligten im Anhörungsverfahren stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17.09.2001 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen eine beitragspflichtige Tätigkeit fest. Die Klägerin stelle kostenlos alle Arbeitsmittel zur Verfügung und mache Vorgaben zu Art und Umfang der Tätigkeiten und wohl ebenso zur zeitlichen Ausgestaltung. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht zu erkennen, eigene Betriebsmittel der Beigeladenen seien nicht vorhanden.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trugen die Klägerin ebenso wie die Beigeladene vor, diese habe ein selbständiges Gewerbe im Bereich Telefonmarketing angemeldet, verfüge dazu über eigene Büroräume mit der erforderlichen Telefon- und EDV-Ausstattung, sei als Selbständige einkommens- und umsatzsteuerpflichtig, werde für die Klägerin nur zu unregelmäßigen Zeiten tätig und habe mehrere anderweitige Auftraggeber mit erheblichen Umsatzhöhen. Die Klägerin hat vorgebracht, die für sie freiberuflich im Telefonmarketing Tätigen legten - anders als die im Call-Center fest angestellten Mitarbeiter - selbst fest, ob und wann sie für die Klägerin arbeiten. Sie seien nur in Outbound-Gesprächen und nicht für eingehende Anrufe eingesetzt, hätten die Wahl, im Call-Center oder aber von zu Hause aus zu telefonieren, unterlägen in den Gesprächen keiner Kontrolle und hätten allenfalls allgemeine Vorgaben und Hinweise, aber keine Weisungen erhalten.
Den abweisendem Widerspruchsbescheid vom 01.09.2004 begründete die Beklagte damit, dass eine abhängige Beschäftigung bestehe, weil die Beigeladene in der Tätigkeit für die Klägerin funktionsgerecht dienend in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert tätig sei, kein eigenes Kapital einsetze, kein Unternehmerrisiko trage und an einem für sie freigehaltenen Arbeitsplatz der Klägerin tätig sei.
2. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben und Feststellung einer nicht abhängigen Tätigkeit der Beigeladenen für die Zeit vom 14.08.2000 bis 18.01.2001 beantragt im Wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens.
Im Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin vom 22.02.2007 hat das Sozialgericht die Akten der zwischen der Klägerin und der Beklagten anhängigen Parallelverfahren S 14 R 4538/04 und S 14 R 4612/04 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, insbesondere die Niederschriften des Verhandlungstermins vom 08.12.2006 mit den Aussagen der Zeugin P. und des Zeugen W.. Die Beigeladene hat angegeben, sie sei im fraglichen Zeitraum für mehrere Auftraggeber tätig gewesen, für die Klägerin habe sie praktisch nur Telefonarbeiten im P.-Projekt erbracht. Diese Tätigkeit habe zwingend im Call-Center der Klägerin stattfinden müssen, weil deren Soft- und Hardware dafür unverzichtbar gewesen sei. Sie - die Beigeladene - habe dazu einen Leitfaden erhalten, sei einer täglichen Berichtspflicht unterworfen gewesen nach konkreten Zielvorgaben. Habe Sie eine konkrete Tätigkeit mit der Klägerin im Call-Center vereinbart, habe sie persönlich dies auch einhalten müssen. Einen Unterschied zwischen ihrer Arbeit und der Arbeit der fest Angestellten habe sie nicht erkenne...