Leitsatz (amtlich)
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist nur ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland als Voraussetzung für Leistungen nach SGB II festgelegt. Eine Verurteilung eines Leistungsträgers kann aber, sofern nicht Sonderregelungen wie § 43 SGB I einschlägig sind, gemäß § 36 SGB II nicht erfolgen, wenn weder der gewöhnliche noch ein tatsächlicher Aufenthalt des Hilfebedürftigen in seinem Bezirk feststellbar ist.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2008 (S 7 AS 188/07) aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2007 abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die außergerichtlichen Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte der Klägerin in der Zeit ab 01.10.2006 Arbeitslosengeld II zu gewähren hat.
Die 1977 geborene Klägerin war bis 1996 zeitweise berufstätig. Sie hat keine Berufsausbildung. Im Oktober 2003 erwarb sie mit Mitteln aus einer Erbschaft von ihrem Lebensgefährten H. ein Haus in F. im Landkreis P.. Das Haus verfügt über 100 qm Wohnfläche und Einzelöfen. Am 14.12.2003 kam es zu einem Brand dieses Hauses, bei dem unter anderem Bad und Toilette zerstört wurden. In der Folge wurde gegen die Klägerin wegen Brandstiftung ermittelt.
Die Klägerin bezog ab 01.01.2004 Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) vom Landkreis P.. Die Sozialhilfe wurde zum 31.03.2005 eingestellt, weil der tatsächliche Aufenthalt nicht nachgewiesen sei. Mit Urteil vom 27.06.2006, L 11 SO 6/06, wies das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) die Berufung gegen die Einstellung der Sozialhilfe zum 31.03.2005 zurück. Die Klägerin habe sich nicht in ihrem Haus aufgehalten. Sie habe im Bezirkskrankenhaus im September 2004 und beim Gutachter der Rentenversicherung am 22.11.2004 angegeben, bei ihrem Lebensgefährten zu wohnen. Im Übrigen wurde auf die Hausbesuche und die fehlende Versorgung mit Wasser und Strom verwiesen.
Die Klägerin beantragte am 12.04.2006 erstmals Arbeitslosengeld II bei dem Beklagten. Dabei gab sie als Wohnort ihr eigenes Haus in F. an. Der Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld II für die Zeit von 12.04.2006 bis 30.09.2006. Diese Bewilligung wurde zurückgenommen, weil sich die Klägerin nicht in ihrem Haus und nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgehalten hatte. Das BayLSG hat diese Rücknahme nebst Erstattung der erbrachten Leistungen mit Urteil vom 17.02.2011, L 7 AS 50/08, bestätigt. Die Klägerin begehrte auch für die Zeit von 01.01.2005 bis 11.04.2006 Arbeitslosengeld II. Die Ablehnung dieser Leistungen wegen fehlenden Aufenthalts bestätigte das BayLSG mit Urteil vom 17.02.2011, L 7 AS 42/08.
Am 24.08.2006 beantragte die Klägerin die Weitergewährung von Arbeitslosengeld II ab 01.10.2006.
Die Gemeinde F. teilte am 13.09.2006 mit, dass Gemeindearbeiter seit ca. zwei Monaten täglich beim Haus der Klägerin vorbeischauen würden und nie jemand angetroffen werde.
Mit Bescheid vom 14.09.2006 lehnte der Beklagte die Leistungsgewährung ab. Der gewöhnliche Aufenthalt bestehe nicht unter der angegebenen Anschrift.
Am 25.09.2006 ging der Widerspruch ein. Der Lebensmittelpunkt der Klägerin sei zu jeder Zeit in F. gewesen. Das Haus sei trotz des Brandes bewohnbar. Das Haus sei an das Stromnetz angeschlossen. Das Urteil des BayLSG vom 27.06.2006 zur Sozialhilfe sei nicht zutreffend und beziehe sich auf das Jahr 2005. Die Nachbarn könnten die Anwesenheit der Klägerin gar nicht beurteilen, weil das Haus wegen Alleinlage in einer Senke nicht einsehbar sei.
Der Stromversorger teilte der Sozialhilfeverwaltung des Landkreises mit, dass eine Ablesung des Zählers durch Mitarbeiter erfolgen sollte. Am 29.09.2006 und am 11.11.2006 habe der Mitarbeiter niemanden angetroffen. Das Haus sei unbewohnt.
Am 26.03.2007 erfolgte ein Hausbesuch bei der Klägerin durch Mitarbeiter der Sozialhilfeverwaltung. Es sei niemand angetroffen worden. Das Haus sei nach wie vor nicht renoviert und in einem schlechten Zustand. Die Haustüre sei mit Sperrholzplatten abgedeckt. Die Fensterscheiben auf der Rückseite des Hauses seien größtenteils zerbrochen. Die Wohnung wirke sehr verschmutzt. Ein Hausbrunnen sei nicht auffindbar. Wegen Unrat, Müll und des Zustands des Gebäudes wurde das Anwesen als verwüstet bezeichnet. Ein vorbeifahrender Nachbar habe mitgeteilt, dass der Briefkasten regelmäßig von der Klägerin geleert werde, aber tatsächlich dort aber niemand wohne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2007 wurde der Widerspruch wegen Leistungen ab 01.10.2006 zurückgewiesen. Es fehle am gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
Der Abfallzweckverband teilte dem Beklagten am 21.02.2008 mit, dass für das Haus der Klägerin seit 31.10.2003 keine Müllbeseitigung mehr angemeldet sei.
Am 26.04.2007 wurde Klage erhoben. Sie wurde wie der Widerspruch begründet. Die Klägerin trug vor, d...