Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe sowie der Höhe, Anpassung und Neubemessung der Regelleistungen nach SGB 2. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Einkommensberücksichtigung
Orientierungssatz
1. Im Hinblick auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe sowie die Höhe, Anpassung und Neubemessung der Regelleistungen nach § 20 SGB 2 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Sofern mehrere Erkrankungen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB 2 für kostenaufwändige Ernährung erfüllen, ist der Mehrbedarf zu gewähren, der der höchsten Krankenkostzulage entspricht. Eine mehrfache Gewährung ist dabei nicht zulässig. Da nach den Vollzugshinweisen zu § 21 Abs 5 SGB 2 ein Mehrbedarf für die Reduktionskost bei Adipositas nicht zu gewähren ist, erfüllt hier nur die Erkrankung Neurodermitis die Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Vollkost in Höhe von 25,56 Euro.
3. Zur Rechtmäßigkeit der Berücksichtigung von Partnereinkommen in der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 SGB 2 und der Feststellung des zu berücksichtigenden Einkommens nach § 11 SGB 2.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.10.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes II (Alg II) streitig.
Der 1950 geborene Kläger zu 1) beantragte am 19.12.2004 für sich und seine Ehefrau, die Klägerin zu 2), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuvor hatte der Kläger zu 1) bis zum 01.09.2004 Arbeitslosengeld I bezogen (wöchentlich 397,53 EUR) und anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi). Dem Antrag beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S., wonach beim Kläger zu 1) eine Hyperlipidämie bei Adipositas, eine Hyperurikämie und eine Hypertonie bei Adipositas vorliegen. Zugleich wurde ein entsprechender Mehrbedarf für eine kostenaufwändige Ernährung (Gewichtsreduktion) bestätigt. In einem weiteren Attest des Hautarztes Dr. M. wurde eine Neurodermitis und die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung hierfür bescheinigt.
Die 1954 geborene Klägerin zu 2) arbeitet als Reinigungskraft im Z. A. mit einem durchschnittlichen monatlichen Nettolohn von 560,00 EUR. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) haben eine 1983 geborene Tochter.
Mit Bescheid vom 13.01.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.01. bis 31.01.2005 monatlich 671,54 EUR und für die Zeit vom 01.02. bis 31.03.2005 monatlich 672,53 EUR. Bei der Bewilligung unterstellte die Beklagte, dass die volljährige Tochter noch im Haushalt der Kläger lebe. Tatsächlich war die Tochter zu Beginn des Jahres ausgezogen.
Mit dem Widerspruch machten die Kläger insbesondere die Verfassungswidrigkeit des SGB II geltend. Es wurde die Auffassung vertreten, dass die bisherige Alhi für den Kläger zu 1) weiter Gültigkeit haben müsse. Dies ergäbe sich aus Art.14 Abs.1 Grundgesetz (GG). Zudem führe die Anrechnung des Einkommens seiner Ehefrau zum Leistungsentzug überwiegend für Frauen (mittelbare Diskriminierung) und sei von daher mit Art.3 Abs.2 und 3 GG nicht vereinbar. Außerdem verletze die Höhe der Regelleistung die Würde des Menschen, weshalb auch ein Verstoß gegen Art.1 GG vorliege.
Mit Änderungsbescheid vom 21.02.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern vom 01.01. bis 31.03.2005 monatliche Leistungen in Höhe von 1.195,24 EUR. Es seien folgende Änderungen vorgenommen worden: Der Mehrbedarf für die kostenaufwändige Ernährung ab 01.01.2005; die Herausnahme des Mietanteils für die Tochter aus der Berechnung, so dass jetzt die komplette Miete abzüglich 14,53 EUR Warmwasser anerkannt wurde; ab 01.01.2005 ein Zuschlag in Höhe von 320,00 EUR gewährt und die beiden Kfz-Haftpflichtversicherungen mit insgesamt monatlich 30,52 EUR vom Einkommen abgesetzt wurden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2005 wies die Beklagte - soweit dem Widerspruch nicht abgeholfen worden war - diesen als unbegründet zurück.
Mit weiterem Bescheid vom 29.03.2005 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2005 die Leistungen weiter, ab 01.09.2005 mit nach Ablauf des ersten Jahres abgesenktem Zuschlag nach § 24 SGB II.
Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2005 zurückgewiesen.
Gegen die genannten Widerspruchsbescheide haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Zur Begründung haben sie nochmals auf die Verfassungswidrigkeit des SGB II verwiesen, da insbesondere die Regelsätze aus vielen Gründen zu niedrig angesetzt seien. Der Mehrbedarf wegen Neurodermitis sei für die flankierenden Maßnahmen weit höher als mit 25,56 EUR anzusetzen, nämlich mit 179,45 EUR. Weiter seien die Mehraufwendungen wegen Blu...