nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Maßgebendes Insolvenzereignis. Krankheitszeiten ohne Entgeltfortzahlung. Gemeinschaftlicher Begriff des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
1. Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III kommt als Auffangtatbestand nur bei fehlendem Insolvenzantrag in Betracht.
2. Ist auf den Insolvenzgeldanspruch deutsches Recht (§ 183 SGB III) anzuwenden, ist der Dreimonatszeitraum im Sinne des § 183 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ausgehend vom Zeitpunkt der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse zu bestimmen. Die Vorschrift kann nicht unter Berufung auf Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (EWGRL 80/987) dahingehend ausgelegt werden, dass als maßgebliches Insolvenzereignis der Zeitpunkt der Einreichung des Insolvenzantrages anzusehen ist.
3. Krankheitszeiten ohne Entgeltfortzahlung sind auch nach dem auf Gemeinschaftsebene einheitlich auszulegendem Begriff des Arbeitsverhältnisses aus dem Tatbestand der vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses auszuschließen.
Normenkette
SGB III § 183 Abs. 1 S. 1; EWGRL 80/987 Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Nürnberg (Entscheidung vom 17.06.2004; Aktenzeichen S 6 AL 989/02) |
Nachgehend
BSG (Aktenzeichen B 11a AL 11/05 B) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.06.2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Insolvenzgeld unter Berufung auf die Richtlinie des Europäischen Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (EWGRL 80/987).
Die 1947 geborene Klägerin war seit 01.07.1998 bei dem Reinigungsunternehmen M. D. (N.) als Reinigungskraft beschäftigt. Am 20.12.2000 beantragte die AOK beim Amtsgericht N. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin. Hiervon hatte die Klägerin keine Kenntnis. Den Antrag der AOK lehnte das Amtsgericht durch Beschluss vom 14.11.2001 mangels Masse ab. Mit Schreiben vom 27.04.2001, das der Klägerin erst am 31.05.2001 ausgehändigt wurde, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 28.05.2001. Die Abmeldung des Gewerbes erfolgte am 29.05.2001 beim Ordnungsamt der Stadt N ... Nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts N. vom 25.06.2001 (Versäumnisurteil, Az: 9 Ca 5464/01) endete das Arbeitsverhältnis nicht zum 28.05.2001, sondern bestand darüber hinaus fort. Eine Kündigung durch die Klägerin selbst erfolgte nicht. Vom 29.05.2001 bis 01.01.2002 bezog die Klägerin von der AOK Krankengeld.
Am 05.06.2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von Insolvenzgeld. Sie habe seit Februar 2001 von der früheren Arbeitgeberin keinen Lohn mehr erhalten. Mit Bescheid vom 18.01.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Klägerin im Insolvenzgeld-Zeitraum (14.08.2001 bis 13.11.2001) wegen des Krankengeldbezugs keinen Arbeitsentgeltausfall gehabt habe.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, ihr stehe Insolvenzgeld für April, Mai und Juni 2001 zu, denn ihr Arbeitsverhältnis habe zum 30.06.2001 geendet. Auch sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits vor dem 14.11.2001 beantragt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 17.10.2002 zurück. Wie sich aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts N. vom 25.06.2001 ergebe, sei das Arbeitsverhältnis bis zum Insolvenzereignis (14.11.2001) nicht beendet worden.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das Arbeitsverhältnis habe zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt - dem 30.06.2001 - geendet. Deshalb sei Insolvenzgeld vom 01.04.2001 bis 30.06.2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat entgegnet, der Insolvenzgeld-Zeitraum könne nicht gemäß § 183 Abs 2 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) - Weiterarbeit in Unkenntnis des Insolvenzereignisses - auf März bis Mai 2001 vorverlegt werden, da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Festlegung des Insolvenzgeld-Zeitraums bei ruhenden Arbeitsverhältnissen vorliegend keine Anwendung finde.
Mit Urteil vom 17.06.2004 hat das SG den Bescheid vom 18.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2002 aufgehoben und die Beklagte ab 31.05.2001 zur Leistung von Insolvenzgeld für die der Kenntnisnahme der Klägerin vom Insolvenzereignis vorgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses verurteilt.
Es sei nicht vom 14.11.2001, dem Zeitpunkt des Beschlusses des Insolvenzgerichts auszugehen. Eine mit der EWGRL 80/987 konforme Auslegung des § 183 SGB III gebiete nach der Rechtsprechung d...