Orientierungssatz

1. § 183 SGB 3, der nicht auf den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Eröffnung abstellt, genügte insofern den Anforderungen der EWGRL 987/80 nicht, ist jedoch eindeutig und nicht iS der Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH vom 15.5.2003 - C-160/01 = SozR 4-4300 § 183 Nr 1) auszulegen. Es ist zu beachten, dass sich allein aus der EWGRL 987/80, die für die Zeit ab 2002 durch die EWGRL 74/2002 geändert worden ist, mit der § 183 SGB 3 nunmehr in Einklang steht, keine Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers gegen die Bundesagentur für Arbeit (BA) ableiten lassen. Über einen etwaigen Anspruch auf Schadensersatz wegen mangelhafter Umsetzung der Richtlinie ist nicht zu entscheiden. Ein solcher Schadensersatzanspruch könnte sich zum einen nicht gegen die BA, sondern allein gegen die Bundesrepublik Deutschland richten und wäre zum anderen nicht vor den Sozialgerichten zu verfolgen (vgl BSG vom 18.12.2003 - B 11 AL 27/03 R = SozR 4-4100 § 141b Nr 1).

2. War das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Insolvenzereignisses bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses. Für das Ende des Arbeitsverhältnisses ist nicht das faktische, sondern das rechtliche Ende maßgebend.

3. Allein die Aufnahme einer neuen Beschäftigung führt nicht zur Beendigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Insolvenzgeldes.

Der 1957 geborene Kläger arbeitete ab dem 11. Juni 1996 bei der Firma R-Bau GmbH als Bauhelfer. Mit Schreiben vom 28. Februar 1997 kündigte diese das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf die schlechte Auftragslage zum 01. April 1997. Auf die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers stellte das Arbeitsgericht Berlin mit Versäumnisurteil vom 20. Juni 1997 fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 28. Februar 1997 nicht mit Ablauf des 01. April 1997 beendet worden sei, und verurteilte die Arbeitgeberin des Klägers zur Zahlung des für die Monate Januar bis März 1997 rückständigen Lohns.

Am 14. August 1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten Konkursausfallgeld und machte geltend, dass ihm für die Monate Februar und März 1997 noch Arbeitsentgelt in Höhe von 3.743,00 DM brutto (2.830,23 DM netto) bzw. 3.827,08 DM brutto (2.833,26 DM netto) zustehe. Vier Tage später – am 18. August 1997 – ging er ein neues Arbeitsverhältnis mit T E ein.

Mit am 28. August 1997 beim Amtsgericht Charlottenburg eingegangenem Schreiben vom 20. August 1997 beantragte die AOK B, über das Vermögen der R-Bau GmbH das Gesamtvollstreckungsverfahren zu eröffnen. Das Amtsgericht Dortmund, an das das Verfahren verwiesen worden war, holte bei Rechtsanwalt Dr. A ein Gutachten ein. Dieser führte unter dem 13. August 1999 aus, dass die R-Bau GmbH ihren Sitz bis zum 31. August 1997 in B gehabt habe. Zu diesem Tage habe sie ihre Tätigkeit eingestellt. Mit Beschluss vom 15. September 2000 wies das Amtsgericht Dortmund den Antrag der AOK B auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma R-Bau GmbH mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse ab.

Die Beklagte, die zwischenzeitlich selbst versucht hatte zu ermitteln, ob und ggfs. wann die R-Bau GmbH ihre Betriebstätigkeit eingestellt hat, und der die Firma W & M GmbH & Co KG, die mit der R-Bau GmbH in geschäftlicher Beziehung gestanden hatte, unter dem 05. Mai 1999 mitgeteilt hatte, dass der letzte Fertigstellungstermin im September 1997 gewesen sei, gewährte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 02. März 2001 ausgehend von einem am 15. September 2000 eingetretenen Insolvenzereignis für die Zeit vom 15. Juni bis zum 14. September 2000 Konkursausfallgeld. Dieses minderte sie im Hinblick auf die in diesem Zeitraum ausgeübte Beschäftigung und das erhaltene Arbeitsentgelt um 6.475,95 DM auf 860,74 DM.

Mit seinem hiergegen am 30. März 2001 eingelegten Widerspruch wandte der Kläger sich gegen die Anrechnung eines Betrages in Höhe von 6.475,95 DM. Der zugrunde gelegte Konkursausfallgeld-Zeitraum sei nicht nachvollziehbar, nachdem sein Arbeitsverhältnis mit der R-Bau GmbH noch 1997 geendet habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei mit Beschluss des Amtsgerichts Dortmund am 15. September 2000 mangels Masse abgewiesen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma R-Bau GmbH noch bestanden, nachdem das Arbeitsgericht Berlin mit Versäumnisurteil vom 20. Juni 1997 festgestellt habe, dass das Arbeitsverhältnis durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 28. Februar 1997 nicht zum 01. April 1997 beendet worden sei. Habe das Arbeitsverhältnis bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch bestanden, beginne der Insolvenzgeldzeitraum an dem Tag des drittletzten Kalendermonats, der das Tagesdatum des Insolvenz...

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