Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erledigungsgebühr. anwaltliche Mitwirkung. Abraten von Klageerhebung nach Erlass des Widerspruchsbescheids. Teilabhilfe
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch nach § 63 SGB 10 auf Erstattung einer Erledigungsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren nach § 2 Abs 2 RVG iVm Nr 1005 und 1002 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG (juris: RVG-VV) scheidet aus, wenn die Mitwirkungshandlung des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin (hier: zugelassene Rentenberaterin) ausschließlich darin besteht, der Mandantschaft nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens unter Erläuterung der Rechtslage von einer Klageerhebung abzuraten.
Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte die erfolgte Teilabhilfeentscheidung in den Widerspruchsbescheid integriert hat (Fortführung von LSG Halle vom 17.10.2013 - L 2 AS 36/11).
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 3. April 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die anteilige Erstattung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 in Verbindung mit Nr. 1002 Vergütungsverzeichnis (VV = Anlage 1) zu § 2 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 21.11.2006 bei der Klägerin das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt. Nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit hob der Beklagte den Bescheid vom 21.11.2006 mit Änderungsbescheid vom 06.02.2012 auf, weil ein GdB von mindestens 20 nicht mehr bestehe.
Hiergegen erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte (eine zugelassene Rentenberaterin) am 22.02.2012 Widerspruch. Nach Akteneinsicht begründete die Bevollmächtigte den Widerspruch mit Schriftsatz vom 29.05.2012 und legte zwei im Rahmen eines Rentenverfahrens zuvor erstellte Befundberichte und ein nervenfachärztliches Gutachten vor. Sie beantragte die Feststellung eines GdB von wenigstens 30.
Nach versorgungsärztlicher Überprüfung half der Beklagte dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2012 teilweise ab und stellte bei der Klägerin einen GdB von 20 fest. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die im Vorverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen der Klägerin wurden zu 4/10 übernommen.
Die Bevollmächtigte der Klägerin machte mit Schreiben vom 16.07.2012 Kosten wie folgt geltend: Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG-VV in Höhe von 240,00 Euro, Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 RVG-VV in Höhe von 280,00 Euro, Fotokopien aus Behördenakten in Höhe von 4,50 Euro sowie Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen in Höhe von 20,00 Euro. Unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer nach Nr. 7008 RVG-VV (19 %) in Höhe von 103,46 Euro betrage die Gesamtforderung 647,96 Euro. Hiervon habe der Beklagte 4/10 = 259,20 Euro zu erstatten.
Der Beklagte setzte die zu erstattenden Kosten mit Bescheid vom 18.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2013 wie folgt fest: Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG-VV in Höhe von 240,00 Euro, Fotokopien aus Behördenakten in Höhe von 4,50 Euro, Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer nach Nr. 7008 RVG-VV (19 v. H.) in Höhe von 50,26 Euro = 314,76 Euro. Hiervon seien 4/10 = 125,90 Euro erstattungsfähig. Die geltend gemachte Erledigungsgebühr könne nicht erstattet werden; eine für die Entstehung der Gebühr nach Nr. 1005 in Verbindung mit Nr. 1002 RVG-VV erforderliche qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung der Bevollmächtigten habe nicht vorgelegen.
Hiergegen hat die Klägerin am 18.03.2013 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und geltend gemacht, die Erledigungsgebühr sei dadurch entstanden, dass der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2012 ein Teilanerkenntnis abgegeben und die Klägerin dieses infolge des Mitwirkens ihrer Bevollmächtigten angenommen habe. Daher sei auch die weitere anteilige Erledigungsgebühr und die hierauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 133,30 Euro zu erstatten.
Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 18.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2013 mit Urteil vom 03.04.2014 abgewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 62/12 R = SozR 4-1300 § 63 Nr. 19; Urteil vom 09.12.2010 - B 13 R 63/09 R - in Juris m. w. N.) könne ein Rechtsanwalt (hier: zugelassene Rentenberaterin) für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid dann eine Erledigungsgebühr verlangen, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe im vorliegenden Fall keine derartige qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung ihrer Bevollmächtigten vorgel...