Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Befreiung eines Rechtsanwalts von der Versicherungspflicht für eine Beschäftigung als Syndikus
Leitsatz (amtlich)
1. Rechtsanwälte sind für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit in der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien, wenn die rechtsanwaltschaftliche Zulassung die rentenversicherungspflichtige Bestätigung mit umfasst.
2. Da das anwaltliche Berufsrecht die Betätigungen, die von der Zulassung umfasst werden, nicht positiv eingrenzend, sondern nur negativ abgrenzend beschreibt, kann nur für solche Betätigungen eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht verweigert werden, die das Berufsrecht mit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs als nicht vereinbar oder als keine rechtsanwaltschaftliche Betätigung darstellend bezeichnet.
3. Die Betätigung als sog. Syndikus stellt, wie § 43 BRAO eindeutig zu entnehmen ist, keine rechtsanwaltschaftliche Berufsausübung dar und ist von der Zulassung als Rechtsanwalt nicht umfasst. Damit darf eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beschäftigung/Tätigkeit als Syndikus nicht erfolgen.
4. Darüber hinaus ist jede in einem Arbeitsverhältnis ausgeübte juristisch rechtsberatende Beschäftigung von der anwaltlichen Zulassung nicht umfasst, sofern sie nicht als angestellter Rechtsanwalt in einer Rechtsanwaltskanzlei/-gesellschaft erfolgt, weil dort die rechtsberatende Arbeitsleistung als Dienstleistung gegenüber externen Mandanten und nicht unternehmensintern erfolgt.
5. Die sog. vier Kriterien finden im Gesetz keine Grundlage und erscheinen für die Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht irrelevant.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 02. Februar 2012 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 02. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2011 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung in seiner Tätigkeit bei der X. Vertriebsbetreuungsgesellschaft mbH als Personalreferent Recht in der Zeit vom 19.02.2010 bis zum 14.02.2011.
Der 1980 geborene Kläger ist Volljurist. Er begann am 15.09.2008 eine Tätigkeit als Personalreferent Recht bei der X. Vertriebsbetreuungsgesellschaft mbH, die er bis zum 14.02.2012 ausübte. Für die sich ab 15.02.2012 anschließende Tätigkeit im Bereich Compliance bei der X. AG wurde er durch die Beklagte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Am 13.04.2010 stellte der Kläger den streitgegenständlichen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er sei seit dem 19.02.2010 als Rechtsanwalt Mitglied der Rechtsanwaltskammer M. und der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Der Arbeitgeber bestätigte unter Punkt 5.2 des Antrags, dass der Kläger bei der X. Vertriebsbetreuungsgesellschaft mbH als Rechtsanwalt tätig sei. Am 24.03.2009 sei ihm von seinem Arbeitgeber Handlungsvollmacht nach § 54 HGB erteilt worden, bei der die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken, das Eingehen von Wechselverbindlichkeiten sowie die Aufnahme von Darlehen und Prozessführung ausgeschlossen wurde. Er sei alleinig und eigenverantwortlich für alle juristischen Themen im Bereich Personalmanagement zuständig und nur dem Leiter des Personalmanagements unterstellt. Er unterliege in der rechtlichen Beratung jedoch keinen Weisungen. Hinsichtlich der Umsetzung von strategischen Fragen sei er lediglich gegenüber diesem Leiter und der Geschäftsführung weisungsgebunden. Er berate in laufenden Personalangelegenheiten, betreue Arbeitsgerichtsprozesse und koordiniere externe Rechtsanwälte. Er habe auch von seinem Arbeitgeber eine Freistellungserklärung im Sinne von § 14 BRAO erhalten.
Mit Bescheid vom 02.09.2010 wurde der Antrag abgelehnt. Die ausgeübte Tätigkeit sei nicht als eine anwaltliche Tätigkeit anzusehen, da sie nicht zwingend die Qualifikation als Volljurist voraussetze. Wenn die Tätigkeit jedoch nicht zwingend ausschließlich von Juristen mit der Befähigung zum Richteramt ausgeübt werden könne, könne es sich nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handeln.
Seinen dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass maßgeblich für eine Befreiung neben der Zulassung als Rechtsanwalt und die Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk die tatsächliche berufstypische anwaltliche Tätigkeit erforderlich sei. Dafür habe die Beklagte die vier Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung beschrieben. Alle vier Merkmale würden von ihm erfüllt. Er sei rechtsberatend tätig. Er sei alleiniger Ansprechpartner der Fachbereiche oder der Geschäftsführung für Fragen aus den...