Entscheidungsstichwort (Thema)
Ostarbeiter. fiktive Nachversicherung. Zwangsarbeit. Konzentrationslager
Orientierungssatz
"Ostarbeiter" gelten auch für die Zeit der Ableistung von Zwangsarbeit während einer KZ-Haft als fiktiv nachversichert gemäß Art 6 § 23 Abs 1 S 1 FANG.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rentenhöhe, konkret, ob die Zeit einer KZ-Haft des Klägers (26.02.1943 bis 27.04.1945) bei der Rentenberechnung (als Beitrags- oder Ersatzzeit) rentensteigernd zu berücksichtigen ist.
Der Kläger ist 1924 in P (nordwestlich von D), Ukraine (frühere UdSSR), geboren.
Nach Beginn des Krieges gegen die UdSSR (22.06.1941; Frontverlauf im Dezember 1941:Linie Donezk-Charkow, vgl.Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, 19.Aufl.1994, Bd.24 s.v. "Weltkrieg", Karte "Zweiter Weltkrieg: Feldzüge im Osten 1941-43", S.38) wurde der Kläger im Oktober 1941 als sog. Ostarbeiter auf Veranlassung der deutschen Besatzungsmacht nach Deutschland verbracht und jedenfalls ab Januar 1942 auf dem Hof des Landwirts H M in H (westlich von B) als Landarbeiter verwendet. Am 01.02.1943 wurde er dort verhaftet und - nach Zwischenstationen in einem Gefängnis in B und im KZ W - (südlich von P) - am 26.02.1943 in das KZ D, sog. Außenkommando A -H, eingeliefert. Hier wurde er bis zur Befreiung durch die Alliierten am 27.04. 1945 von der M AG als Zwangsarbeiter eingesetzt.
Nach dem Krieg blieb der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland, war ab Mai 1949 bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit im März 1979 versicherungspflichtig beschäftigt und wurde am 22.05.1967 eingebürgert.
Am 16.04.1970 schloß der Kläger mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesverwaltungsamt in Köln, aufgrund von Art.VI des Bundesentschädigungs-Schlußgesetzes (BEG- SG) i.V.m. § 177 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) einen Vergleich, wonach er als Nationalgeschädigter für die erlittene KZ-Haft eine einmalige Kapitalabfindung von 25.000,-- DM erhielt.
Mit Bescheid vom 18.10.1979 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 01.04.1979 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die wegen der Nichtberücksichtigung der Zeit Oktober 1941 bis 27.04.1945 zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage (Az.: S 9 Ar 159/80) blieb erfolglos (Urteil vom 11.11.1981).
Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht (Az.: L 16 Ar 38/82) beschränkte der Kläger sein Begehren auf die (rentensteigernde) Anrechnung der Zeit im KZ von Februar 1943 bis April 1945 als Ersatzzeit nach § 1251 Abs.1 Nr.4 Reichsversicherungsordnung (RVO). Mit Urteil vom 27.10.1983 wies das Bayer. Landessozialgericht die Berufung zurück. Im fraglichen Zeitraum habe der Kläger keine Verfolgten-Ersatzzeit zurückgelegt, da er nicht Verfolgter im Sinne des § 1 BEG, sondern Nationalgeschädigter nach Art.VI Nr.1 Abs.1 BEG-SG sei. Für die Zeit Februar 1943 bis April 1945 komme auch keine fiktive Nachversicherung gemäß Art.6 § 23 Abs.1 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) in Betracht, da der Kläger nicht heimatloser Ausländer im Sinne des § 1 Buchst.d Fremdrentengesetz (FRG) sei, und da es sich bei der Beschäftigung während der KZ-Haft um Zwangsarbeit gehandelt habe.
Ein Antrag des Klägers vom 01.06.1989, ihm den streitigen Zeitraum als Versicherungszeit anzuerkennen, wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 21.06.1989 bestandskräftig abgelehnt.
Mit Bescheid vom 31.10.1989 wandelte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente ab 01.01.1990 in das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65.Lebensjahres um.
Am 04.05.1993 beantragte der Kläger sodann sinngemäß, die ergangenen Bescheide unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.05.1991 - 5 RJ 29/90 (= SozR 3-5050 § 1 FRG Nr.1) gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen, über seine Rentenansprüche erneut zu entscheiden und hierbei die Zeit von Oktober 1941 bis 27.04. 1945 als Versicherungszeit zu berücksichtigen.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.05.1993 und Widerspruchsbescheid vom 02.08.1993 ab, wobei sie im wesentlichen auf die Gründe der Urteile des Sozialgerichts Augsburg vom 11.11.1981 und des Bayer.Landessozialgerichts vom 27.10.1983 Bezug nahm. Dem Urteil des BSG vom 14.05.1991 sei nach übereinstimmender Ansicht der Rentenversicherungsträger nicht zu folgen, so daß der Kläger nach wie vor nicht zum Personenkreis der heimatlosen Ausländer im Sinne des § 1 Buchst.d FRG gerechnet werden könne.
Mit der am 24.08.1993 zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage (Az.: S 12 Ar 3/96) verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.
Nachdem die Rentenversicherungsträger nunmehr dem Urteil des BSG vom 14.05.1991 folgten, stellte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente und die Regelaltersrente (das Altersruhegeld) des Klägers jeweils ab Rentenbeginn (01.04.1979 bzw. 01.01. 1990) neu fest - Bescheide vom 13.05.1994 und 19.05.1994 - und rechnete hierbei nunmehr zusätzlich die Zeit vom 15.01.1942 bis 31.12.1942 (entsprechend dem...