Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Fallzusammenführung bei mehr als zwei Krankenhausaufenthalten. Auslegung von § 2 Abs 2 S 1 Nr 2 FPV 2015
Leitsatz (amtlich)
Bei der Abfrage der Reihenfolge der Partitionen von innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe erfolgenden Wiederaufnahmen (§ 2 Abs 2 S 1 Nr 2 FPV 2015) (juris: FPVBG 2015) wird auf die Partition der unmittelbar zuvor abrechenbaren Fallpauschale abgestellt.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.11.2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren.
III. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.395,78 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung und hierbei insbesondere um die Frage einer Fallzusammenführung.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) betreibt das M.-Krankenhaus, welches in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern eingetragen ist. In diesem behandelt sie auch Patienten der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte), einer gesetzlichen Krankenkasse.
Die Klägerin behandelte die bei der Beklagten versicherte C., geboren am 10.09.1934, (im Folgenden: Versicherte) in der Zeit vom 12.08.2015 bis 18.08.2015 und rechnete gegenüber der Beklagten die DRG E77I (Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane ohne komplexe Diagnose, ohne äußerst schwere CC, Alter ≫ 0 Jahre, außer bei Para-/Tetraplegie, ohne Komplexbehandlung bei multiresistenten Erregern) mit einem Rechnungsbetrag von 2.424,98 Euro ab. Die DRG E77I gehört zur Hauptdiagnosegruppe (MDC) 04 "Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane" und ist der medizinischen Partition zuzuordnen. Hauptdiagnose im Rahmen dieser Behandlung war eine Pneumonie durch Nahrung oder Erbrochenes.
In der Zeit vom 20.08.2015 bis 27.08.2015 erfolgte eine zweite stationäre Behandlung der Versicherten, die unter Zugrundelegung der DRG X62Z (Vergiftungen/Toxische Wirkungen von Drogen, Medikamenten und anderen Substanzen oder Folgen einer medizinischen Behandlung oder bestimmte Erfrierungen und andere Traumata) mit einem Betrag von 1.770,08 Euro abgerechnet wurde. Die DRG X62Z gehört zur Hauptdiagnosegruppe (MDC) 21B "Verletzungen, Vergiftungen und toxische Wirkungen von Drogen und Medikamenten" und ist der medizinischen Partition zuzuordnen.
In der Zeit vom 07.09.2015 bis 09.09.2015 erfolgte eine dritte stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten, die mit der DRG E02C (Andere OR-Prozeduren an den Atmungsorganen ohne aufwändigen Eingriff, Alter ≫ 9 Jahre) in Höhe von 3.189,27 Euro abgerechnet wurde. Die DRG E02C gehört zur Hauptdiagnosegruppe (MDC) 04 "Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane" und ist der operativen Partition zuzuordnen. Hauptdiagnose dieser Behandlung war eine Funktionsstörung des Tracheostomas der Versicherten.
Die Beklagte beglich zunächst die Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt 7.384,33 Euro.
Offensichtlich ohne Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) forderte die Beklage mit Schreiben vom 25.11.2015 die Klägerin auf, die Behandlungsfälle vom 12.08.2015 bis 18.08.2015 (erster Aufenthalt) und vom 07.09.2015 bis 09.09.2015 (dritter Aufenthalt) nach § 2 Abs. 2 Fallpauschalenvereinbarung 2015 (FPV 2015) zusammenzuführen. Anderenfalls werde man eine Aufrechnung mit laufenden Zahlungen vornehmen.
Die Klägerin lehnte mit Schreiben vom 28.01.2016 eine Fallzusammenführung des ersten und dritten Behandlungsfalls wegen des dazwischenliegenden Behandlungsfalls vom 20.08.2015 bis 27.08.2015 ab.
Die Beklagte führte am 02.05.2016 den ersten und dritten Behandlungsfall zusammen, berechnete für den zusammengeführten Fall die DRG E02C in Höhe von 4.218,47 Euro und nahm eine Aufrechnung in Höhe von 1.395,78 Euro (= 7.384,33 Euro - 4.218,47 Euro - 1.770,08 Euro) mit anderen, unstreitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderweitigen Behandlungsfällen vor.
Die Klägerin hat am 31.01.2017 Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben, die mit Beschluss des SG München vom 27.02.2017 an das SG Nürnberg verwiesen wurde. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen (Schriftsätze vom 30.01.2017, 09.06.2017 und 01.08.2017), es habe eine getrennte Abrechnung des ersten und dritten Behandlungsfalls zu erfolgen. Ein Ausnahmetatbestand einer Fallzusammenführung nach §§ 2, 3 FPV 2015 sei nicht erfüllt. Insbesondere komme eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 2 FPV 2015 nicht in Betracht, da diese Norm von der "zuvor abrechenbaren Fallpauschale" spreche. Vor diesem Hintergrund seien die erste und die dritte Behandlung der Versicherten trotz Vorliegens einer Wiederaufnahme innerhalb von 30 Tagen und eines Partitionswechsels innerhalb derselben Hauptdiagnosegruppe nicht zusammenzuführen. Denn die "zuvor abrechenbare Fallpauschale", also die dem dritten Behandlungsfall unmittelbar vorausgehende Fallpauschale, ...