Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit. bandscheibenbedingte Veränderungen der Lendenwirbelsäule. Belastungskonformität

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Belastungskonformität der bandscheibenbedingten Veränderungen an der Lendenwirbelsäule allein können die Anerkennung der BK Nr. 2108 nicht rechtfertigen, da sie auch typisch degenerativ bedingten Bandscheibenleiden entsprechen, die ohne wesentliche berufsbedingte Belastungen auftreten.

Heben sich die Bandscheibenschäden im beruflich belasteten Abschnitt der Lendenwirbelsäule nicht deutlich vom Degenerationszustand der belastungsfernen Abschnitte ab, können sie, auch wenn sie belastungskonform sind und die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, nicht als belastungsbedingt im Sinne der BK Nr. 2108 mit Wahrscheinlichkeit anerkannt werden.

 

Normenkette

SGB VII § 9 Abs. 1; Anlage zur BKV Nr. 2108

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.11.2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen und zu entschädigen sind.

Der 1956 geborene Kläger war seit 1971 als Maurer beschäftigt. Er nahm hierbei schwere körperliche Tätigkeiten wahr und arbeitete bis Mai 2000 (mit Unterbrechungen insgesamt 25,6 Jahre) bei 17 verschiedenen Firmen. Der Techn. Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten sah bei ihm nach den epidemiologischen Erkenntnissen für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko die arbeitstechnischen Voraussetzungen i.S. der BK Nr. 2108 als erfüllt an. Der festgelegte Grenzwert von 25 x 10 6 Nh wurde dabei mit einer Gesamtdosis von 27,2 x 10 6 Nh überschritten.

Stärkere Bandscheiben-Beschwerden machte der Kläger seit 1993/ 1994 geltend. Die Beklagte zog Arztberichte des Neurochirurgen Dr. P. vom 10.07.2000 und Dr. R. vom 16.02.2001, des Orthopäden Dr. S. vom 12.03.2001, des Nervenarztes Dr. S. vom 16.07.2001, des Orthopäden Dr. S. vom 21.10.1997 sowie Arztberichte des Kreiskrankenhauses G. vom 29.09.1994/07.10.1994, des Krankenhauses N. vom 02.09.1993 sowie ärztliche Entlassungsberichte der Rentenversicherung vom März 1995 und 29.11.2000 bei. Anschließend erstellte der Chirurg Dr. W. am 20.05.2003 für die Beklagte ein Gutachten, in dem er die Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule als schicksalhaft degenerativ verändert ansah. Die berufliche Belastung sei nicht als Ursache zu erkennen.

Mit Bescheid vom 02.07.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 24.09.2003).

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, ihm Verletztenrente nach den BKen Nr.n 2108/2109 zu gewähren.

Das SG hat ein Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 20.01.2004 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung in den Segmenten L4/5 und L5/S1 vorliege. Allerdings seien verstärkte degenerative Veränderungen in diesen Bereichen vorhanden, die nicht auf beruflich bedingte Ursachen zurückzuführen seien, insbesondere eine spinale Enge in Höhe des Segmentes L4/5. Die festgestellten krankhaften Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS) seien als schicksalhafte Erkrankung anzusehen. Damit seien die Voraussetzungen für eine BK nicht gegeben.

Nach Vorlage eines Attestes des Orthopäden Dr. B. vom 23.03.2004 hat das SG mit Urteil vom 16.11.2004 die Klage abgewiesen. Es hat sich insbesondere auf das Gutachten des Dr. S. gestützt.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, dass sich im Bereich der gesamten Wirbelsäule Verschleißerscheinungen befänden. Hierbei seien die Halswirbelsäule (HWS) und die LWS deutlich verstärkt betroffen. Auch im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) sei ein Verschleiß wahrnehmbar. Die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung der BK Nr. 2108 seien daher erfüllt.

Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. sowie die ärztlichen Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken einschließlich der einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen zum Verfahren beigezogen. Anschließend hat der Neurochirurg Dr. P. am 07.08.2006 auf Veranlassung des Klägers ein Gutachten erstellt, in dem er vor allem Gesundheitsstörungen im Bereich der HWS und BWS neben einer starken psychosomatischen Erkrankung bestätigte. Danach lägen im Bereich der Wirbelsäule starke degenerative Veränderungen der LWS vor in Form von Bandscheibenerkrankungen über mindestens drei Segmente. Im Bereich der oberen LWS zeigten sich Verschmälerungen der Zwischenwirbelräume ebenso wie im Bereich der BWS. Dort fänden sich auch zahlreiche Verschmälerungen der Zwischenwirbelräume vom 5. BWK abwärts. Im HWS-Bereich seien gravierende Veränderungen, die sich im Verlauf der letzten fünf Jahre eingestellt haben ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge