Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung. Handlungstendenz des Versicherten. Gastwirt. Alkoholisierung

 

Leitsatz (amtlich)

Stürzt ein Gastwirt bei dem Verlassen einer Gesellschaft, weil er auf einer Treppe zu seinen Privaträumen nochmals von einem Gast aufgehalten und angesprochen wird, handelt es sich hierbei um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 1

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.01.2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Unfallereignis vom 11.12.2005 als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Der 1944 geborene Kläger betreibt zusammen mit seiner Ehegattin den Gasthof S. in A-Stadt. Die Liegenschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei Gebäudeteile durch einen Übergang verbunden sind, der den ausschließlich betrieblich genutzten Gebäudeteil (Gaststätte, Fremdenzimmer, Büro) mit dem überwiegend privat genutzten Gebäudeteil (ein bzw. zwei Fremdenzimmer, zweites Büro, Privaträume) verbindet. Der Übergang befindet sich etwas höher gelegen als der erste Stock; beidseitig finden sich Treppen; etwa in der Mitte des Überganges ist eine Tür installiert, die den ausschließlich betrieblich genutzten Gebäudeteil von dem überwiegend privat genutzten Gebäudeteil abgrenzt.

Ausweislich der Unfallanzeige vom 15.03.2006 ist der Kläger am 11.12.2005 gegen 2.15 Uhr auf der Treppe zur Wohnung gestolpert; er hat den Handlauf nicht mehr ergreifen können; dann ist er rückwärts die Treppe ca. zwölf Stufen hinabgestürzt. Das Krankenhaus B. in R. hat mit Arztbrief vom 13.12.2005 u.a. folgende Diagnosen mitgeteilt: Schädel-Hirn-Trauma bei Zustand nach Sturz mit Kontusionsblutungen rechtstemporobasal, SAB rechts, SDH rechts, temporale Kalottenfraktur links, distale und Unterarmfraktur links (Radius und Ulna). Nach dortiger stationärer Behandlung vom 12.12.2005 bis 16.12.2005 ist der Kläger in der Klinik S.R. (Klinik für neurologische und geriatrische Rehabilitation) vom 28.12.2005 bis 18.01.2006 weiter behandelt worden. Dr.O. hat mit Durchgangsarztbericht vom 06.04.2006 im weiteren Verlauf eine Wesensveränderung und Eintrübung beschrieben. Bei dem Unfallereignis sei der Kläger alkoholisiert gewesen (0,72 Promille bei der Blutentnahme am 11.12.2005 um 12.21 Uhr).

Der Kläger hat unter dem 06.07.2006 hinsichtlich des Unfallherganges ausgeführt, dass er aus der Gaststätte S. kommend, wo er Theken- und Büroarbeiten verrichtet habe, auf dem Weg zur Wohnung gewesen sei, um dort zu schlafen. Das Haus, in dem sich die Gaststätte befinde, habe zwei Stockwerke (Erdgeschoss und erster Stock). Die Privatwohnung läge im gegenüberliegenden Haus im ersten Stock und sei mit der Gaststätte im ersten Stock durch den Übergang verbunden. Die Treppe, auf der sich der Unfall ereignet habe, befände sich im ersten Stock der Gaststätte und stelle eine Verbindung zum Übergang in die Privatwohnung dar. Die Treppe würde ausschließlich als Zugang zur Wohnung genutzt.

Die Beklagte hat es mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 20.07.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2006 abgelehnt, das Ereignis vom 11.12.2005 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs.2 Nr.1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) anzuerkennen. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Unfalles die betriebliche Tätigkeit bereits beendet gehabt und den Betriebsbereich verlassen. Der Unfall habe sich weder im öffentlichen Verkehrsraum noch in einem wesentlich betrieblich benutzten Bereich ereignet, da die Treppe, auf der sich der Unfall ereignet habe, ausschließlich dazu genutzt werde, um den Übergang zum privaten Wohnhaus zu erreichen. Hierbei sei unerheblich, dass sich die Türe zum Übergang oberhalb dieser Treppe befinde.

In dem sich anschließenden Klageverfahren haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Klagebegründung vom 24.05.2007 hervorgehoben, dass sich der Kläger auf dem kürzesten und verkehrstechnisch sichersten Weg vom Gasthof S. in die durch eine Überführung auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Privatwohnung befunden habe. Der Kläger habe die Wohnungseingangstüre in dem Übergang über die R. Straße überhaupt noch nicht erreicht. Er sei vielmehr im Aufstieg der Treppenanlage zum Übergang gestolpert, habe den Handlauf nicht mehr erwischt und sei dann rückwärts die Treppen zurückgestürzt und in der Gastwirtschaft, d.h. dem Vorraum zum großen Festsaal, zum Liegen gekommen.

Das Sozialgericht Landshut hat in der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2009 die Zeugen H., E., H. M. und J. M. einvernommen. Nach weiterer mündlicher Verhandlung vom 20.01.2010 hat das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom selben Tag den Bescheid ...

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