Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. künstliche Befruchtung. gleichgeschlechtliches Ehepaar. heterologe Insemination. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Kostenerstattung für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung in Form einer heterologen Insemination bei einem gleichgeschlechtlichen Ehepaar.
Orientierungssatz
Die Regelung des § 27a Abs 1 Nr 4 SGB 5, wonach bei einer künstlichen Befruchtung ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden dürfen, ist verfassungsgemäß.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.05.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für bereits durchgeführte Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung in Form einer heterologen Insemination streitig.
Die Klägerin lebt in gleichgeschlechtlicher Ehe mit Frau A. (im Folgenden: A). Sie war bis zum 31.01.2019 bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.
Mit Schreiben vom 09.02.2018 hatten die Klägerin und A unter Vorlage eines Behandlungsplans und einer Apothekenrechnung vom 09.02.2018 die Kostenübernahme für Arzneimittel und Behandlungsversuche der Insemination und später In-vitro-Fertilisation (IVF) wegen einer Fertilitätsstörung beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2018 abgelehnt, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien; der Einsatz von Fremdsperma sei nicht möglich. Dagegen hatten die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 24.04.2018 Widerspruch erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2018 war der dagegen erhobene und mit einer angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 27a Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) begründete Widerspruch zurückgewiesen worden. Klage war anschließend nicht erhoben worden.
Am 11.06.2018 hatte die Klägerin unter Vorlage von zwei Laborrechnungen vom 19.04.2018 und 27.04.2018 (über 72,86 € und 55,47 €) die Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit der begehrten künstlichen Befruchtung beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 14.06.2018 abgelehnt. Widerspruch war nicht erhoben worden.
Mit Schriftsatz vom 23.07.2018 beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin und der A, im Wege einer Entscheidung gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Bescheide vom 12.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom "25.06.2018" (Anmerkung des Senats: Der Widerspruchsbescheid datiert vom 11.06.2018.) und vom "14.07.2018" (Anmerkung des Senats: Einen Bescheid vom 14.07.2018 gibt es nicht, gemeint sein kann nur der Bescheid vom 14.06.2018.) aufzuheben und die begehrten Kostenzusagen zu erteilen. Zur Begründung werde auf das Schreiben vom 24.04.2018 verwiesen; die Ablehnung der Kostenübernahme sei rechtswidrig und verfassungswidrig.
Mit Bescheid vom 30.07.2018 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Das Recht - so die Beklagte - sei nicht fehlerhaft angewendet worden und die Beklagte sei bei ihren Entscheidungen nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2018 gab die Beklagte dem mit Schriftsatz vom 03.08.2018 eingelegten Widerspruch nicht statt. Mit dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 seien zwar das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Lebenspartnerschaftsgesetz, das Personenstandsgesetz und das Transsexuellengesetz geändert worden. Neue oder geänderte gesetzliche Regelungen im Bereich der Sozialversicherung seien aber nicht vereinbart worden. Leistungen der Krankenbehandlung würden daher medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nur dann umfassen, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet würden (§ 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V), was vorliegend nicht der Fall sei.
Mit Schriftsatz vom 20.09.2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, haben die Bevollmächtigten für die Klägerin und die A Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben.
Zur Begründung der Klage haben sie Folgendes vorgetragen:
Die Klägerin und A seien gleichgeschlechtliche Eheleute. Aus biologischen Gesichtspunkten bedürfe es zur Erfüllung des der Klägerin und A innewohnenden Kinderwunsches des Einsatzes von Fremdsperma. Die Schwangerschaft solle bei der Klägerin herbeigeführt werden. Aufgrund der medizinischen Gegebenheiten würden sich bei der Klägerin ohne hormonelle Unterstützung kein Eiwachstum und somit kein Eisprung bilden. Die Schwangerschaft könne nur im Rahmen einer IVF mit Embryotransfer durch Einsatz von Fremdsperma herbeigeführt werden.
Die Beklagte begründe ihre Ablehnung im Wesentlichen mit Hinweis auf den Wortlaut des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V, wonach die Leistungen der Krankenbehandlung medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nur dann umfassen würden, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten v...