Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterbliebenenrente. Gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe. Liebesbeziehung. Lebenserwartung. Vorziehen des Hochzeittermins. Nottrauung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Gründe, die gegen eine Versorgungsehe sprechen sollen, müssen um so gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist (vgl. zuletzt BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 134/08 R).

2. Eine Heirat aus Liebe schließt eine Versorgungsehe nicht aus. Maßgeblich ist vielmehr ein In-Beziehung-Setzen sämtlicher in Frage kommender und von der Versorgungsabsicht verschiedener Beweggründe für die Eheschließung.

 

Normenkette

SGB VI § 46 Abs. 2a

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.11.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin eine Witwenrente beanspruchen kann.

Die 1966 geborene Klägerin ist die Witwe des 1959 geborenen und am 09.10.2006 verstorbenen Versicherten N. A..

Sie stellte am 24.10. 2006 bei der Beklagten einen Antrag auf Hinterbliebenenrente in Form einer kleinen oder großen Witwenrente und gab hierbei an, dass die Ehe am 06.10.2006 geschlossen worden sei und bis zum Tod des Versicherten am 09.10.2006 angedauert habe. Zugleich legte die Klägerin wegen der nur kurzen Ehedauer eine Anlage zum Antrag vor. Dort kreuzte sie an, dass der Versicherte plötzlich und unvermutet gestorben sei. Als weitere Gründe dafür, dass die Ehe nicht allein oder überwiegend zur Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden sei, gab sie an, dass sie mit dem verstorbenen Versicherten bereits seit August 1998 eine eheähnliche Lebensgemeinschaft geführt habe. Die Eheschließung sei für den 07.12.2006 geplant gewesen. Anfang Juni 2006 sei beim verstorbenen Versicherten ein Wiederaufbrechen einer zuvor im Jahr 2004 intensiv behandelten Krebserkrankung festgestellt worden. Am 02.10.2006 hätten sie erfahren, dass der verstorbene Versicherte nur noch einen kurzen Zeitraum zu leben habe, weshalb durch die umgehende, vorgezogene Eheschließung die gemeinsame Liebe besiegelt und öffentlich bekannt gegeben werden sollte. In der Vergangenheit sei eine Eheschließung deshalb unterblieben, weil sie gemeinsam in einer Firma beschäftigt gewesen seien, deren Firmenleitung keine Beziehungen zwischen Angehörigen erlaubt habe. Nach einem Besitzerwechsel im August 2005 sei der Weg für die Eheschließung frei gewesen und in der Folgezeit sei der Entschluss gefasst worden, am nächsten Geburtstag des verstorbenen Versicherten, d.h. am 07.12.2006, zu heiraten. Es könnten Zeugen dafür benannt werden, dass sie und ihr verstorbener Ehegatte fest entschlossen gewesen seien, aus Liebe zu heiraten. Die Klägerin gab ferner an, Einnahmen aus privaten Lebensversicherungen des verstorbenen Versicherten zu erhalten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.11.2006 den Antrag auf Witwenrente ab. Nach § 46 Abs 2a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) iVm § 42 Abs. 3 SGB VI sei bei Ehen, die nach dem 31.12.2001 geschlossen worden seien, ein Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn eine so genannte Versorgungsehe vorliege. Eine solche werde unterstellt, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstorben sei. Im Einzelfall könne diese Unterstellung widerlegt werden, wenn die besonderen Umstände gegen die gesetzliche Vermutung sprechen würden. Im Fall der Klägerin habe die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt werden können. Zum Zeitpunkt der Eheschließung seien die tödlichen Folgen der bestehenden Krankheit absehbar gewesen.

Mit Schreiben vom 30.11.2006 legte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Widerspruch ein und bezog sich zur Begründung zunächst auf ihre im Verwaltungsverfahren abgegebene Stellungnahme. Weiter führte sie aus, dass am 06.10.2006 auch nicht festgestanden habe, wie lange die Lebenserwartung des verstorbenen Ehegatten noch sein würde. Die Eheschließung sei auf lange Dauer und nicht nur kurze Zeit angelegt gewesen.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2007 den Widerspruch zurück. Es seien keine besonderen Umstände des Einzelfalles belegt, die gegen die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe sprechen würden. Die Dauer einer vorher bestehenden Beziehung könne ein Indiz für die Versorgungsehe sein, müsste es aber nicht zwangsläufig. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Diagnose am 02.10.2006 über den kritischen Gesundheitszustand des verstorbenen Ehegatten und der Eheschließung am 06.10.2006 sei zu vermuten. Es habe zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Ableben des Versicherten gerechnet werden müssen.

Die dagegen gerichtete Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg hat die Klägerin im Wesentlichen damit begründet, dass in der Vergangenheit trotz langjährigen Zusammenlebens eine Eheschließung ausgeschlossen gewesen sei, weil dies seitens des Arbeitgebers v...

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