Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Anspruch auf Witwenrente bei Versterben eines Ehegatten wenige Wochen nach der Eheschließung. Anforderungen an die Darlegung besonderer Umstände zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe
Orientierungssatz
1. Bei einer Eheschließung in Kenntnis einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit einer negativen Heilungsprognose ist allein das langjährige vorherige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen den Ehegatten kein ausreichendes Argument zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe.
2. Bestanden in der Vergangenheit bereits Hochzeitspläne, so können diese als Argument gegen die Annahme einer Versorgungsehe gemäß § 46 Abs. 2a SGB 6 nur dann berücksichtigt werden, wenn es bereits vor Bekanntwerden einer lebensbedrohlichen Erkrankung einen konkret gewordenen Heiratsentschluss mit entsprechenden Heiratsvorbereitungen, einschließlich eines konkret geplanten Hochzeitstermins gab. Lediglich die abstrakte Absicht zur Eheschließung genügt dabei nicht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 8.2.2013 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist (große) Witwenrente.
Die 1955 geborene Klägerin war in zweiter Ehe mit dem 1949 geborenen und am 00.00.2008 verstorbenen B (B) E (fortan: Versicherter) verheiratet. Die erste Ehe der Klägerin wurde 1995, die erste Ehe des Versicherten 1996 geschieden. Die Klägerin und der Versicherte waren nach Angaben der Klägerin seit 1985 ein Paar und lebten seit 1994 in einer gemeinsamen Wohnung.
Im Jahr 2003 wurde beim Versicherten ein Rektumkarzinom entfernt und ein künstlicher Darmausgang (anus praeter) angelegt. Anschließend erfolgte eine kombinierte Strahlen-/Chemotherapie. Im Oktober 2007 wurden progrediente Lymphknotenmetastasen entdeckt und eine (erneute) Chemotherapie eingeleitet. Im April 2008 wurde (trotz Therapie) eine Zunahme der Lymphknotenmetastasen, im Mai 2008 wurden Knochenmetastasen im Bereich der Wirbelsäule festgestellt. Im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der B-Kranken-Anstalt C (27.5.-11.6.2008) erfolgte wegen starker Rückenschmerzen am 4.6.2008 eine Operation (Vertebroplastie) des befallenen 1. Lendenwirbelkörpers.
Am 7.7.2008 heirateten die Klägerin und der Versicherte.
Nach am 6.8.2008 eingeleiteter palliativer systemischer Therapie und erneuter stationärer Aufnahme in der B-Kranken-Anstalt am 23.9.2008 verstarb der Versicherte dort am 20.10.2008.
Am 23.10.2008 ging bei der Beklagten eine "Sterbefallmeldung" des Bestattungsinstituts T ein, am 30.10.2008 beantragte die Klägerin Witwenrente. Auf dem beigefügten Formblatt für Ehen, die weniger als 1 Jahr gedauert haben, ist keine der vorgegebenen Alternativen angekreuzt (insbesondere nicht die Alternative "Die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten"), sondern handschriftlich unter "Andere Gründe" angegeben, beim Versicherten sei im Rahmen der Tumorerkrankung eine akute Verschlechterung eingetreten, an der er verstorben sei; der Patient und die jetzige Ehefrau (lebten) seit 14 Jahren in Lebensgemeinschaft. Die offenbar nicht von ihr selbst verfasste Erklärung (an der Seite befindet sich ein Stempel des Prof. Dr. med. C, B-Kranken-Anstalt) ist von der Klägerin unterschrieben.
Die Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis auf die unterjährige Ehedauer ab. Die von der Klägerin genannten Gründe seien nicht geeignet, die darauf basierende gesetzliche Vermutung einer sog. "Versorgungsehe" zu widerlegen (Bescheid vom 11.11.2008).
Ihren Widerspruch begründete die Klägerin insbesondere damit, dass der Versicherte mit seinem baldigen Ableben nicht habe rechnen müssen: Noch im September 2008 sei eine Operation im linken hinteren Halsdreieck erfolgt. Erst Anfang Oktober 2008 sei eine überraschende Verschlechterung eingetreten. Sie seien ca. eine Woche vor dem Tod darüber aufgeklärt worden, dass keine Therapie mehr möglich sei und keine Hoffnung mehr bestehe. Der konkrete Plan zur Eheschließung sei gefasst worden, nachdem ihnen der Arzt im Mai 2008 mitgeteilt hatte, dass der Versicherte nach der geplanten Operation an der Wirbelsäule schlimmstenfalls damit rechnen müsse, im Rollstuhl zu sitzen. Er habe aber keinesfalls im Rollstuhl heiraten wollen.
Der Sozialmedizinische Dienst (SMD) der Beklagten in F wertete Behandlungsberichte der B-Kranken-Anstalt (von Prof. Dr. C und dem Arzt J) aus. Danach sei spätestens ab 5.6.2008 von einem progredienten Verlauf mit tendenziell infauster Prognose auszugehen. Ein kurativer Therapieansatz sei offensichtlich nicht mehr möglich gewesen. Es habe kein "plötzlicher unvorhersehbarer Tod" vorgelegen. Die tödlichen Folgen seien bei der Eheschließung am 7.7.2008 vorhersehbar gewesen (Stellungnahme der Internisten V und Dr. X vom 13.5.2009). Dem folgend wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspr...