Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht der Arbeitsförderung: Gewährung eines Gründungszuschusses. Anforderungen an die Prüfung der Eigenleistungsfähigkeit bei einer Entscheidung über die Weitergewährung eines Gründungszuschusses

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anknüpfung an starre Einkommensgrenzen bei der Prüfung der Eigenleistungsfähigkeit des Antragstellers auf Weitergewährung eines Gründungszuschusses stellt einen Ermessensfehlgebrauch dar. Die Bundesagentur für Arbeit hat insoweit eine Einzelfallprüfung unter Beachtung der individuellen Gegebenheiten des Antragstellers vorzunehmen.

 

Orientierungssatz

Bei der Prüfung der Eigenleistungsfähigkeit im Rahmen einer Entscheidung über die Weitergewährung eines Gründungszuschusses sind in das auszuübende Ermessen auch die ortsüblichen Wohnkosten sowie die Zahl der unterhaltsberechtigten Familienangehörigen des Betroffenen einzubeziehen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.November 2013 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2012 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses über den 23. Juli 2012 hinaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Weiterbewilligung eines Gründungszuschusses über den 23.07.2012 hinaus für die zweite Förderphase.

Der 1970 geborene Kläger ist seit 02.08.2011 als selbständiger Partner der Gesellschaft B. in A-Stadt tätig.

Laut Gesellschaftsvertrag vom 13.07.2011 ist der Gewinn der Gesellschaft zwischen den drei Partnern in Höhe von 75% entsprechend der (gleichen) Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft aufzuteilen, die restlichen 25% sind einvernehmlich aufzuteilen.

Am 30.06.2011 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschuss zur Förderung der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit ab 02.08.2011.

Hierbei gab er in einer Rentabilitätsvorschau einen prognostizierten Gewinn der Gesellschaft (vor Steuern) für das Kalenderjahr 2011 in Höhe von 7.700,- € und für das Kalenderjahr 2012 in Höhe von 113.231,- € an.

Mit Bescheid vom 29.09.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger zur Förderung der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 24.10.2011 bis 23.07.2012 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 2.401,80 €.

Am 27.06.2012 beantragte der Kläger die Weitergewährung des Gründungszuschusses für seine selbständige Rechtsanwaltstätigkeit für die Dauer von weiteren sechs Monaten über den 23.07.2012 hinaus.

Ergänzend legte er einen Bericht zur bisherigen Tätigkeit der Rechtsanwaltspartnerschaft vor. Der Umsatz der Kanzlei seit Dezember 2011 habe sich so entwickelt, dass ausreichende Entnahmen für den Lebensunterhalt ohne Berücksichtigung von Steuerrückstellungen möglich gewesen seien.

Für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 bezifferte der Kläger die Einnahmen der Kanzlei auf 143.508,99 € sowie die Ausgaben auf 57.212,69 €.

Mit Bescheid vom 12.07.2012 lehnte die Agentur für Arbeit W-Stadt den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses mit Hinweis auf das ihr nach § 58 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eingeräumte Ermessen ab. Im Rahmen der Ermessensausübung sei bei Prüfung des beantragten weiteren Zuschusses von monatlich 300,- € die Eigenleistungsfähigkeit zu berücksichtigen.

Die Agentur fördere Existenzgründer für weitere sechs Monate, deren Selbständigkeit einerseits aufgrund des nachgewiesenen Gewinns tragfähig sei und die andererseits eine Förderung zur Gewährleistung der sozialen Absicherung benötigten. Als Entscheidungsgrundlage hierfür diene der nachgewiesene Gewinn. Nach dem Antrag betrage der Gewinn der ersten elf Monate seit Existenzgründung 106.033,74 €. Davon würden nach dem Gesellschaftsvertrag 75 % = 79.525,31 € gleichmäßig auf die Partner verteilt, so dass auf den Kläger ein Gewinn von 26.508,43 € entfalle. Dies seien monatlich 2.409,86 € Gewinn. Dazu komme noch der zwischen den Gesellschaftern einvernehmlich aufzuteilende Gewinn von 26.508,43 €, so dass der oben angegebene Gewinn noch um 500,- € bis 1.000,- € höher liege. Die selbständige Tätigkeit habe sich derart gefestigt und am Markt bewährt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt und soziale Sicherung allein aus selbständiger Tätigkeit bestreiten könne. Hinzu komme, dass der Kläger vom 24.10.2011 bis 23.07.2012 einen steuerfreien Gründungszuschuss von 21.616,20 € erhalten habe.

Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 31.07.2012 Widerspruch ein. Die angenommene Gewinnaufteilung sei ihm tatsächlich nicht zugeflossen. Selbstverständlich müssten Rücklagen gebildet werden und der Gewinn sei noch zu versteuern. Er sei Alleinverdiener mit einem fünfjährigen Kind und habe monatliche fixe Ausgaben (zuzüglich jährlich fälliger Ausgaben wie Haftpflichtversicherung, Zusatzk...

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