Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Verjährung von Ansprüchen der Krankenkassen aus unerlaubter Handlung
Leitsatz (amtlich)
Ansprüche der Krankenkassen aus unerlaubter Handlung sowie ungerechtfertigter Bereicherung wegen betrügerischen Vorgehens der in das Leistungserbringerverhältnis nicht einbezogenen Mutter einer Versicherten verjähren spätestens nach zehn Jahren.
Normenkette
BGB § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, §§ 195, 197, 200, 214 Abs. 1, §§ 812, 823 Abs. 2, §§ 826, 1626, 1629; StGB § 263; SGB V § 10; GVG § 13; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; SGG § 170 Abs. 5; SGB I § 41
Tenor
I. Die Widerklage der Widerklägerin vom 25.11.2013 wird abgewiesen.
II. Die Widerklägerin trägt die Kosten der Widerklage.
III. Der Streitwert wird auf 30.157,85 € festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Strittig ist ein Zahlungsanspruch gegen die Mutter einer Versicherten, für welche der Beigeladene Intensiv-Pflegedienstleistungen zu Unrecht abgerechnet hatte.
1. Die 1998 geborene A. (im Folgenden: R.S.) ist bei der Widerklägerin gesetzlich familien-krankenversichert. Die Widerbeklagte ist die Mutter der R.S. und zugleich mit dem Vater U. S. deren gesetzliche Vertreterin.
Seit der Geburt leidet R.S. u.a. am "Undine-Syndrom", einer seltenen, angeborenen Erkrankung des zentralen Nervensystems mit Störung der autonomen Atmungskontrolle. Dabei ist insbesondere die Atemantwort auf niedrige Sauerstoffsättigungen sowie auf Kohlendioxidanstieg im Wachzustand eingeschränkt, wenn auch oft noch ausreichend. Beim Schlafen sowie in Fällen zusätzlicher Erkrankungen ist die unzureichende Atemantwort weiter reduziert. R.S. wurde deshalb nach der Geburt mehrere Monate stationär behandelt, wobei die Widerbeklagte zugleich ein krankheitserkennungs- und krankheitsreaktives Know-How erwarb. Im Anschluss wurde R.S. intensivmedizinisch sowie intensiv-/beatmungspflegerisch behandelt und betreut. Im streitmaßgeblichen Jahr 2001 war R.S. nach dem SGB XI der Pflegestufe III zugeordnet, nach dem SGB IX war ein GdB von 100 anerkannt.
Seit dem 29.5.1999 gewährte die Widerklägerin der R.S. häusliche Krankenpflege in Gestalt von Beatmungspflege rund um die Uhr nach § 37 Abs. 1 SGB V zur Vermeidung stationärer Behandlung. Mit gesprächsbestätigendem Schreiben vom 22.10.1999 teilte die Widerklägerin der Widerbeklagten dazu mit, die Intensivpflege könne auf drei Wegen sichergestellt werden. Erstens über den Sachleistungsweg durch Leistungserbringer, welche mit der Widerklägerin abrechnen. Zweitens durch eine - zunächst selbst beschaffte und bezahlte - examinierte Krankenpflegerin, deren Kosten nach Quittungsvorlage erstattet werden. Oder drittens durch eine im Haushalt lebende Person, deren Kosten aber nicht übernommen werden; insofern bestand Einigkeit, dass die Widerbeklagte wegen der erforderlichen Qualifikation sowie wegen der rund um die Uhr erforderlichen Pflege sowie Bereitschaft und Belastung nicht in der Lage ist, diese Pflegemöglichkeit sicherzustellen.
2. Der Beigeladene ist Mediziner. Seit 1998 war er Inhaber und Betreiber des Pflegedienstes C.V.. Für diesen galt als Leistungserbringer der häuslichen Krankenpflege der damalige zwischen den Pflegeverbänden und den gesetzlichen Kassen abgeschlossene Rahmenvertrag nach §§ 132, 37 SGB V. Der seit 1999 gültige Rahmenvertrag bestimmte verbindlich u.a. in § 3 "Allgemeine Bedingungen der häuslichen Krankenpflege", dass die versicherten Patienten entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse zu pflegen sind sowie dass die Grundsätze der Qualität und Qualitätssicherung Geltung besitzen.
Im Frühjahr 2001 kam es zwischen der Widerklägerin und der Widerbeklagten zu Differenzen wegen der Pflegeleistungen für R.S. Seit 1.5.2001 wurde auf Initiative der Widerbeklagten der Pflegedienst des Beigeladenen mit der intensivpflegerischen Betreuung der R.S. für 24 h/Tag an sieben Tagen/Woche beauftragt. Mit Schreiben vom 25.6.2001 teilte der Beigeladene der Widerklägerin mit, bedingt u.a. durch die hohen pflegerischen Anforderungen könne die Pflege der R.S. nur durch entsprechend geschultes Fachpersonal durchgeführt werden, so dass ein Stundensatz von 60 DM pro Stunde tagsüber sowie von 70 DM für Nachtzeiten berechnet werde. Die entsprechende Zusage erteilte die Widerklägerin dem Beigeladenen mit Schreiben vom 25.6.2001.
3. In der Folgezeit rechnete der Beigeladene gegenüber der Widerklägerin die entsprechenden Leistungen ab, die die Beklagte auch bezahlte. Tatsächlich aber erbrachte der Beigeladene gemäß geplantem Vorgehen mit der Widerbeklagten die Leistungen nicht. Vielmehr stellte er zur Betreuung der R.S. nur Personal ohne beatmungspflegerische Qualifikation zur Verfügung, weite Strecken der Intensivpflege und Atemüberwachung nahm die Widerbeklagte entweder selbst an ihrer Tochter R.S. vor oder sie ließ diese Pflege und Überwachung durch von ihr selbst organisierte Personen erbringen, welche aber die verabredete Qualifikation nicht besaßen. Im Gegenzug erstattete d...