Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsminderungsrente: Beweislast des Rentenbewerbers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.

2. Der Rentenbewerber und nicht der Rentenversicherungsträger trägt die objektive Beweislast für die (funktionellen) Auswirkungen der psychischen Störungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (BSG, 20. Oktober 2004, B 5 RJ 48/03 R).

 

Normenkette

SGB VI § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2, Abs. 4 Nrn. 1, 3, § 240 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.02.2018; Aktenzeichen B 5 R 331/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.04.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Erwerbsminderungsrente.

Die 1964 geborene Klägerin hat den Beruf der Groß- und Außenhandelskauffrau erlernt und war bis Februar 1988 in diesem Beruf tätig. Von Februar 1988 bis September 1992 liegen Zeiten der Schwangerschaft/ Mutterschutz, Kindererziehung und Arbeitslosigkeit vor. Von Oktober 1993 bis zum Januar 2005 war die Klägerin in Teilzeit als Kassiererin in einem Bekleidungsgeschäft, in Teilzeit als Sachbearbeiterin für den Bereich Abrechnung bei einer Spedition und als Schreibkraft des Gesamtbetriebsrats der Spedition tätig. In der Zeit vom 01.02.2005 bis zum 26.09.2007 war die Klägerin arbeitslos, hierbei ab dem 31.01.2006 arbeitslos ohne Leistungsbezug, unterbrochen durch eine geringfügige (versicherungspflichtige) Tätigkeit als Aushilfe im Verkauf vom 01.06.2007 bis 20.06.2007. Danach bezog die Klägerin vom 01.01.2011 bis 31.05.2016 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 03.06.2014 (Eingangsstempel der Beklagten vom 04.06.2014) beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie sei seit dem 01.04.2005 (und auch davor) eingeschränkt arbeitsfähig. Zur Begründung bezog sie sich auf ein facharbeitsmedizinisches Gutachten von Dr. P. J. vom 27.10.2005, das in einem beim Amtsgericht B-Stadt (Az. xxx) wegen Verwandtenunterhalts geführten familienrechtlichen Verfahren eingeholt wurde. Dr. J. hatte nach Untersuchung der Klägerin am 27.10.2005 eine mittelschwere Depression, eine Fructoseintoleranz, eine Borreliose, ein Wirbelsäulensyndrom mit Achsenabweichung der Lendenwirbelsäule, eine psychovegetative Überlastung, eine Pollenallergie und einen Zustand nach Fraktur des rechten Ellenbogens festgestellt. Die Klägerin sei seit dem 01.04.2005 (und auch davor) eingeschränkt arbeitsfähig. Sie sei in der Lage bis zu vier Stunden täglich in geschlossenen, normal temperierten Räumen im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, vorwiegend jedoch im Sitzen, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter normalen psychischen Belastungen auszuführen. Ebenfalls verwies die Klägerin auf den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) Region Mittelfranken vom 10.01.2012 (Feststellung eines Grades der Behinderung - GdB - von 50; von den einzelnen Gesundheitsstörungen ist die Störung "Depression, psychovegetative Störungen, Somatisierungsstörung, Borreliose" mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet).

Des Weiteren übermittelte die Klägerin Befundberichte: Klinik mit Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität A-Stadt (ohne Datum; wohl: 23.09.2009), Dr. S. vom 14.02.2005, Dr. Z. vom 13.10.2008, Dr. K. vom 19.12.2011, Universitätsklinikum A-Stadt vom 29.01.2014 und 15.04.2014, Dr. G. vom 20.02.2014, J. K. vom 07.01.2010, 11.08.2011, 28.10.2011 und 15.05.2013.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.07.2014 ab. Bei Zugrundelegung des Antragsdatums als Datum eines möglichen Leistungsfalls seien in dem maßgeblichen Zeitraum vom 04.12.2005 bis zum 03.06.2014 nur 3 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, so dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Mit Widerspruch vom 30.07.2014 verwies die Klägerin darauf, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sehr wohl erfüllt seien. Sie habe 300 Monate mit Beitragszeiten, 46 Monate mit Anrechnungszeiten, 3 Monate mit Berücksichtigungszeiten und 7 Monate mit Zeiten aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich belegt (Bezug: Wartezeitauskunft vom 10.07.2014 mit Versicherungsverlauf). Das Gutachten von Dr. J. sei vom Amtsgericht B-Stadt und vom Oberlandesgericht B-Stadt (Az. 7 UF 406/06) anerkannt worden und bestätige die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit. Beigefügt war eine Feststellung der AOK Bayern vom 16.07.2014 über die Bewilligung einer Psychotherapie (bis zu 45 Einzelbehandlungen).

Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte über die Klägerin angeforderte Befundberichte der CIP-Ambulanz B-Stadt vom 20.10.2014, von Dr. M. vom 28.10.2014, J. K. vom 23.10.2014 mit Anlage Befund Dr. K. vom 19.12.2011, Dr. Z. vom 10.11.2014 mit Anlagen Befund Psychotherapeutin P. vom 30.06.2014, Feststellung der AOK (s.o.) sowie Befunde von J. K. vom 15.05.2013, H....

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