Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Grad der Behinderung nach § 69 SGB IX.

 

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Klägerin seit dem 27.02.2006 ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zusteht.

Durch Bescheid vom 14.07.2004 stellte der Beklagte bei der 1947 geborenen Klägerin für folgende Gesundheitsstörungen einen Gesamt-GdB von 20 fest:

1. Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen, Bandscheibenläsionen lumbal mit Nervenwurzelreizung, Schulter-Armsyndrom: Einzel-GdB 20

2. allergische Diathese: Einzel-GdB 10

3. Somatisierungen bei Dysthymie: Einzel-GdB 10

Im Januar 2005 wurde die Klägerin von ihrem Arbeitgeber von ihrer bisherigen, jahrzehntelang (seit 1971) ausgeübten Stelle als Sekretärin eines Chefarztes ins Archiv des Krankenhauses versetzt. Nach den Angaben der Klägerin habe dieses Ereignis ihr Leben nachhaltig verändert. Sie wage sich nicht mehr unter Menschen und leide unter starken Schlafstörungen.

Am 27.02.2006 beantragte sie eine Erhöhung des GdB wegen zwischenzeitlicher Verschlechterung ihres Zustandes.

Mit Bescheid vom 06.06.2006 lehnte der Beklagte die Neufeststellung des GdB ab. Dagegen legte die Klägerin am 28.06.2007 Widerspruch ein.

Durch Teilabhilfebescheid vom 05.06.2007 erkannte der Beklagte der Klägerin einen Gesamt-GdB von 40 seit dem 27.02.2006 für folgende Gesundheitsstörungen zu:

1. seelische Störung, Dysthymie: Einzel-GdB 20

2. Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, Funktionseinschränkungen der rechten Hand, Beugekontrakturen in den Mittelgelenken beider Kleinfinger: Einzel-GdB 20

3. Belastungseinschränkung des linken Beines bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit: Einzel-GdB 20

4. degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Bandscheibenschäden mit Wurzelreizungen, Schulter-Armsyndrom, Osteoporose: Einzel-GdB 20

5. Diabetes mellitus: Einzel-GdB 10

6. allergische Diathese: Einzel-GdB 10

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2007 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.06.2006 als unbegründet zurück, soweit ihm nicht abgeholfen worden war.

Dagegen hat die Klägerin am 28.06.2007 beim Sozialgericht Würzburg (SG) Klage erhoben.

Das SG hat Befundberichte eingeholt, unter anderem von Dr. M. (praktische Ärztin und Psychotherapeutin) vom 17.02.2008, bei der die Klägerin vom 14.03.2005 bis zum 07.01.2008 psychotherapeutisch in Behandlung gewesen war. Als Diagnosen seien eine depressive Episode (mittelgradig) sowie eine Anpassungsstörung gestellt worden.

Das SG hat die Ärztin für öffentliches Gesundheitswesen Dr. L. T. zur Sachverständigen ernannt, die ihr Gutachten nach Untersuchung der Klägerin am 30.04.2008 zu dem am selben Tag abgehaltenen Erörterungstermin abgegeben hat. Die Sachverständige hat einen Gesamt-GdB von 40 festgestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen seien im Einzelnen wie folgt zu bewerten:

Seelische Störungen, Dysthymie (Einzel-GdB 20); Funktionsbehinderung rechtes Handgelenk, Beugekontraktur beider Kleinfinger, Dupuytren'sche Sehnenverhärtung rechts (Einzel-GdB 20); arterielle Verschlusskrankheit linkes Bein (Einzel-GdB 20); rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom, Osteoporose( Einzel-GdB 10, hierzu hat die Gutachterin festgestellt, dass der vom Beklagten angesetzte Einzel-GdB von 20 zu hoch sei, da die Wirbelsäule in allen Abschnitten frei beweglich sei) und allergische Diathese (Einzel-GdB 10).

Den seitens des Beklagten festgestellten Einzel-GdB für Diabetes mellitus hat die Sachverständige nicht bestätigt.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. eingeholt, das dieser am 17.11.2008 abgegeben hat. Nach Auffassung des Sachverständigen liege ein Gesamt-GdB von 50 vor. Die psychischen Störungen der Klägerin seien mit einem Einzel-GdB von 20 nicht hinreichend bewertet. Bei der Klägerin finde sich eine Angst- und Panikstörung, des Weiteren Merkmale für eine soziale Phobie. Die Versetzung im Jahr 2005 habe zu einer narzisstischen Kränkung geführt, das Ausmaß der pathologischen Verarbeitung des Kränkungserlebnisses erfülle die Kriterien einer mittelschweren posttraumatischen Belastungsstörung. Die Graduierung als mittelgradig ergebe sich aus dem Ausmaß der Behinderung in der Alltagsbewältigung. Völlig unabhängig davon, ob die Reaktion auf die berufliche Veränderung als adäquat oder als überwertig eingestuft werde, sei dieses Kränkungserleben nur aufgrund der narzisstischen Persönlichkeitsstörung der Klägerin zu erklären. Eine isolierte Dysthymie könne mit einem GdB von bis zu 20 bewertet werden. Hinzu komme jedoch im vorliegenden Fall eine Angststörung mit Panikstörung, des Weiteren seien aufgrund des Ausmaßes der Einschränkungen im Alltagsleben mit einer eindeutigen Somatisierungsstörung mit erheblichen Vitalstörungen, mit deutlich ausgeprägt...

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