Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente: Wiederherstellung der eingeschränkten Wegefähigkeit bei einem erwerbslosen Versicherten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei erwerbslosen Versicherten kann die eingeschränkte Wegefähigkeit durch die Bewilligung der Beförderungskosten zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wiederhergestellt werden (BSG, 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R).
2. Auch in den Fällen, im denen noch kein konkreter Arbeitsplatz für den Betroffenen zur Verfügung steht, ist es möglich, Teilhabeleistungen so konkret zuzusichern, dass damit die eingeschränkte Wegefähigkeit beseitigt werden kann.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.06.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin auch für die Zeit ab 28.02.2013 einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die 1972 geborene Klägerin hatte von September 1989 bis August 1992 den Beruf einer Textilreinigerin erlernt und war später unter anderem als Maschinistin, Reinigungskraft und Hauswirtschafterin versicherungspflichtig beschäftigt. Neben der Kindererziehung - 2 Kinder, geboren im April 2000 und im Oktober 2006 - war sie nur in geringfügigem Umfang nicht versicherungspflichtig erwerbstätig. Im Jahr 2009 erlitt die Klägerin einen privaten Fahrradunfall mit Verletzungen insbesondere am rechten Sprunggelenk.
Am 18.04.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei, u.a. ein orthopädisch-traumatologisches Gutachten, das im Oktober 2010 von Dr. W. für eine private Versicherung erstellt worden war. Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin am 25.06.2012 durch den Allgemein- und Sozialmediziner Dr. H. untersucht, der folgende Gesundheitsstörungen bei ihr beschrieb:
1. Eingeschränktes Geh- und Stehvermögen nach Fußfehlbildung links bei entzündlicher Erkrankung des Nervensystems im Säuglingsalter, Fußfehlform rechts mit Zustand nach zahlreichen operativen Eingriffen.
2. Belastungsbeschwerden der Wirbelsäule bei Bandscheibenschädigung.
3. Körperübergewicht mit Überlastung tragender Skelettteile.
4. Sehminderung links.
5. Verminderte psychische Belastbarkeit bei chronischem Schmerz.
In sozialmedizinischer Hinsicht sei die Klägerin in der Lage, eine überwiegend sitzende Tätigkeit täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Die Klägerin sei auf Gehstützen angewiesen und könne kurze Wege innerhalb des Hauses auch ohne Gehstützen zurücklegen. Es sei von einer Einschränkung der Wegefähigkeit auszugehen, die bei bestehender gültiger Fahrerlaubnis jedoch kompensiert werden könne.
Daraufhin wies die Beklagte mit Bescheid vom 06.07.2012 den Rentenantrag zurück. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch im erforderlichen zeitlichen Umfang einsatzfähig.
Der Widerspruch der Klägerin vom 30.07.2012 wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2012 zurückgewiesen, nachdem Dr. L. das sozialmedizinische Leistungsbild bestätigt hatte: Die Klägerin sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Schichtarbeit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Neue medizinische Gesichtspunkte seien nicht festzustellen gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2012 am 11.10.2012 per Telefax Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Sie hat darauf verwiesen, dass sie nach misslungenen Operationen seit 2009 nicht mehr in der Lage sei, richtig zu laufen. Ihre Wegefähigkeit sei aufgehoben. Seit Oktober 2010 seien ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen "G" zuerkannt worden. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass sie zwar einen Führerschein besitze, ihr jedoch kein Pkw zur Verfügung stehe: Das in der Familie vorhandene Kraftfahrzeug sei auf ihren Ehemann zugelassen und dieser benötige es für die täglichen Fahrten zu seiner Arbeit. Die Klägerseite hat ergänzend ein Attest des Dr. H. vom 21.11.2012 vorgelegt, wonach die Klägerin nicht länger als vier Stunden täglich arbeiten könne.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. C., Dr. A. und Dr. H. eingeholt. Ferner ist die Schwerbehindertenakte des Zentrums Bayern Familie und Soziales beigezogen worden. Das Sozialgericht hat sodann den Arzt für Öffentliches Gesundheitswesen Dr. H. mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens vor dem Verhandlungstermin am 24.01.2013 beauftragt. Dieser ist bei seiner Untersuchung zum Ergebnis gekommen, dass im Vergleich zum Rentengutachten vom Juni 2012 eine Verschlechterung der psychischen Situation eingetreten sei und eine mittelgradige depressive Episode bestehe. Zwar sei eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens noch nicht gege...