rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Würzburg (Entscheidung vom 02.10.2002; Aktenzeichen S 10 AL 549/00)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.10.2002 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2000 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die teilweise Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Erstattung von 29.303,49 DM.

Der 1942 geborene Kläger war von 1972 bis 31.12.1997 als Elektrotechniker beschäftigt bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von zuletzt 7.719,50 DM. Er meldete sich am 02.12.1997 mit Wirkung zum 01.01.1998 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Dabei gab er an, auf seiner Lohnsteuerkarte sei die Lohnsteuerklasse III eingetragen.

Mit Bescheid vom 10.02.1998 bewilligte die Beklagte Alg ab 01.01.1998 nach Leistungsgruppe C in Höhe von 642,88 DM wöchentlich. Anlässlich eines Telefongesprächs mit dem Kläger vom 11.05.2000 und auf Grund Nachfrage bei der Stadt M. (12.05.2000) erfuhr die Beklagte, dass der Kläger mit Wirkung zum 01.05.1998 auf der Lohnsteuerkarte 1998 die Steuerklasse V hat eintragen lassen. Diese Steuerklasse war auch auf den Lohnsteuerkarten 1999 und 2000 vermerkt.

Mit Bescheid vom 29.05.2000 hob die Beklagte die Alg-Bewilligungen für die Zeit vom 01.05.1998 bis 30.04.2000 (Bescheide vom 10.02.1998, 26.01.1999 und 26.01.2000) teilweise auf und forderte vom Kläger überzahltes Alg in Höhe von 29.303,49 DM zurück. Alg habe lediglich nach der Leistungsgruppe D in Höhe von anfangs 371,28 DM/Woche zugestanden.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, das Finanzamt A. habe ihm im April 1998 geraten, im Hinblick auf das wesentlich höhere Einkommen seiner Ehefrau die Lohnsteuerklassen zu wechseln. Er sei davon ausgegangen, dass die Beklagte durch einen Hinweis des Finanzamts vom Steuerklassenwechsel informiert werde.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 27.10.2000 zurück. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung werde auf § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) i.V.m. § 330 Abs.3 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) gestützt, da der Kläger zur Mitteilung des Lohnsteuerklassenwechsels gem. § 60 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) verpflichtet gewesen sei. Auf diese Pflicht sei er auf Seite 50/51 des ihm ausgehändigten Merkblatts für Arbeitslose hingewiesen worden. Auch hätte er erkennen können, dass ihm wegen des Steuerklassenwechsels Alg nicht mehr nach Leistungsgruppe C zugestanden habe.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 29.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2000 aufzuheben. Grobe Fahrlässigkeit könne ihm nicht vorgeworfen werden, weil er auf ausdrücklichen Rat des zuständigen Finanzamts gehandelt habe.

Mit Urteil vom 02.10.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Pflicht zur Mitteilung des Lohnsteuerklassenwechsels habe der Kläger dem nachweislich ausgehändigten Merkblatt entnehmen können. Über die Abhängigkeit der Leistungsgruppe von der jeweiligen Lohnsteuerklasse sei er auch auf der Rückseite des Bewilligungsbescheides aufgeklärt worden.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Das angefochtene Urteil widerspreche der Wertung des BSG im Urteil vom 29.08.2002 - B 11 AL 87/01 R -. Der vom BSG danach geforderte Hinweis zu den leistungsrechtlichen Folgen des Steuerklassenwechsels fehle in dem ihm ausgehändigten Merkblatt Stand April 1997. Selbst den im Merkblatt Stand Januar 1998 enthaltenen Hinweis ("Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann in der Regel nur einmal jährlich vorgenommen werden. Bitte holen Sie deshalb vorher Rat ein.") habe das BSG nicht für ausreichend gehalten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.10.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Dem Kläger sei das Merkblatt Stand Januar 1998 ausgehändigt worden, in dem er auf die leistungsrechtlichen Auswirkungen und darauf, sich vor dem Steuerklassenwechsel beraten zu lassen, hingewiesen worden sei.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet, denn das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Beklagte war nämlich zur teilweisen Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht berechtigt, so dass der Kläger zur Erstattung des geforderten Betrages nicht verpflichtet ist.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 ...

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