Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Beschränkung der Ermächtigung eines Sozialpädiatrischen Zentrums. Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien bei Bestimmung geeigneter Gebietsärzte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ermächtigung eines Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) nach § 119 SGB 5 kann dadurch beschränkt werden, dass das SPZ nur auf Überweisung durch Kinder- und Jugendärzte, Kinder- und Jugendpsychiater und Ärzte für Neurologie und Psychiatrie in Anspruch genommen werden kann.

2. Die Zulassungsgremien haben bei der Bestimmung geeigneter Gebietsärzte einen Beurteilungsspielraum, der nicht überschritten wird, wenn Allgemeinärzte und Praktische Ärzte ausgenommen werden.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 2), 3) und 6) werden die Ziffern I und III des Urteils des Sozialgerichts München vom 19.10.2011 aufgehoben und die Klage auch insoweit abgewiesen.

II. Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 2), 3) und 6) werden von der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) je zur Hälfte getragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Patienten nur auf Überweisung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie von Kinder- und Jugendpsychiatern behandeln darf ("Facharztfilter").

Die Klägerin ist Trägerin des Kinderzentrums St. M., eines Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) in A-Stadt. Mit Schreiben vom 11.01.2011 beantragte sie eine Verlängerung der im bisherigen Umfang über den 31.03.2011 hinaus. Zu dieser Folgeermächtigung gab die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern mit Schreiben vom 17.02.2011 eine Stellungnahme ab. Sie sei der Auffassung, dass die Inanspruchnahme des SPZ St. M. auf eine Überweisung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeschränkt werden solle. Mit Bescheid vom 18.03.2011 erteilte der Zulassungsausschuss Ärzte Oberpfalz die ab dem 01.04.2011 bis 31.3.2014. Ziffer 3 des Beschlusses lautet: "Die Behandlung erfolgt auf Überweisung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie von Kinder- und Jugendpsychiatern."

Gegen diese Beschränkung wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch. Die Beschränkung des Überweiserkreises sei ermessensfehlerhaft. Eine wie auch immer geartete Bedarfsanalyse habe nicht stattgefunden. Es seien auch keine Kinder- und Jugendärzte, keine Kinder- und Jugendpsychiater und keine Neuropädiater befragt worden. Der Versorgungsbedarf in der betroffenen Region sei handgreiflich. Es bestehe ein qualitativ-spezieller Versorgungsbedarf bezüglich sozialpädiatrischer Leistungen. Deshalb sei es unbedingt erforderlich, niederschwellige Zugangsvoraussetzungen für die Patienten zu schaffen. Andernfalls würde vielen Kindern die so dringend notwendige Behandlung in einem SPZ verwehrt. Ferner lag eine Stellungnahme des Abgeordneten K. vom 26.04.2011 vor. Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern beantragte die Zurückweisung des Widerspruchs. Eine Behandlung in einem SPZ sei nur dann geboten, wenn Art, Schwere oder Dauer des Krankheitsbildes keine hinreichende Behandlung durch geeignete Ärzte wie Kinder- und Jugendärzte und insbesondere Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie zulassen würden. Mit einem auf diese Facharztgruppen zugeschnittenen Überweisungsfilter sei sichergestellt, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Behandlung in einem SPZ nur von den Ärzten zu treffen sei, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellen würden.

Mit Bescheid vom 22.06.2011 wies der Beklagte aufgrund der Sitzung am 05.06.2011 den Widerspruch zurück. Das Bayerische Landessozialgericht habe in seinem Beschluss vom 23.03.2011 (L KA 120/10 ER) die Einschränkung des Überweiserkreises auf die vorgenannten Fachärzte bestätigt. Alle Planungsbereiche in der Oberpfalz seien mindestens ausreichend (Versorgungsgrad von mindestens 100 %) mit Kinder- und Jugendärzten versorgt. Im Bezirk Oberpfalz seien zusätzlich in A-Stadt, B-Stadt und C-Stadt Kinder- und Jugendpsychiater zugelassen und in der ganzen Oberpfalz nähmen insgesamt fünf Ärzte an der sozialpsychiatrischen Vereinbarung teil. Die Behandlung in einem SPZ sei nur dann geboten, wenn Art, Schwere oder Dauer des Krankheitsbildes keine hinreichende Behandlung durch geeignete Ärzte zuließen. Mit den auf diese Fachgruppen zugeschnittenen Überweisungsfiltern sei sichergestellt, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Behandlung in einem SPZ nur von den Ärzten getroffen werde, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellten. Eine Überweisung durch Kinder- und Jugendärzte, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie sei sinnvoll, notwendig und zwingend, weil nur diese beurteilen kön...

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