Entscheidungsstichwort (Thema)
Hilfsmittelversorgung. Übernahme von Reparaturkosten der behindertengerechten Ausstattung eines KfZ. Budgetierung der Instandsetzungskosten. Härtefallregelung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Budgetierung des für Instandsetzungskosten zur Verfügung stehenden Betrags nach § 29 S 1 Nr 3 OrthV ist streng zeitraumgebunden. Die "Verschiebung" einer Maßnahme in einen anderen Fünf-Jahres-Zeitraum ist nicht möglich.
2. Es besteht keine gegenseitige Deckungsfähigkeit zwischen den verschiedenen in § 29 OrthV genannten "Töpfen" für Instandsetzungsmaßnahmen.
3. § 29 S 1 Nr 3 OrthV steht mit § 24a und § 11 Abs 3 BVG in Einklang.
4. Instandsetzungskosten, die über den in § 29 S 1 Nr 3 OrthV genannten Betrag hinausgehen, können nicht über eine Härtefallregelung ersetzt werden.
5. Die durch § 29 S 1 Nr 3 OrthV bewirkte Deckelung der für die Instandsetzung zur Verfügung stehenden Mittel verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. September 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten wegen der Übernahme von Reparaturkosten, die dem Kläger bezüglich der behindertengerechten Ausstattung seines Kraftfahrzeugs entstanden sind.
Der Kläger erlitt während seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr im Mai 1982 einen schweren Wegeunfall mit seinem privaten Kraftfahrzeug. Als Wehrdienstbeschädigung wurde eine Querschnittslähmung unter Zugrundelegung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v.H. anerkannt. Alle vier Gliedmaßen des Klägers sind von der Lähmung betroffen. Seine Arme kann der Kläger zwar in gewissem Grad noch einsetzen - beispielsweise ist er in der Lage, seinen Rollstuhl anzuschieben -, die Finger allerdings sind komplett gelähmt. Trotz seiner Behinderung arbeitet der Kläger als Dozent an der Zivildienstschule G.. Er fährt täglich mit dem Auto zur Arbeit; die einfache Wegstrecke beträgt nach seinen Angaben 32 km.
Im September 1998 legte sich der Kläger einen Mercedes Sprinter zu. Zu dessen Beschaffung zahlte der Beklagte einen Zuschuss. Der Kläger ließ das Fahrzeug behindertengerecht umbauen. Unter anderem wurde die Schiebetür des Mercedes mit einer elektrischen Vorrichtung zum Öffnen und Schließen versehen. Die behindertengerechte Umrüstung wurde am 13.10.1998 fertig gestellt. Deren Gesamtkosten beliefen sich laut Rechnung vom 13.10.1998 auf 35.513,40 DM (incl. MWSt) - auf die elektrische Öffnungs- und Schließvorrichtung entfielen 4.470 DM zzgl. MWSt. Mit Bescheid vom 10.11.1998 erstattete der Beklagte den Rechnungsbetrag in voller Höhe.
Innerhalb des Zeitraums vom 13.10.2003 bis 12.10.2008 waren beim Kläger - vor dem 11.03.2008 - für die Schiebetür folgende Instandsetzungskosten angefallen:
- 361,51 EUR mit Rechnung der Umrüstungsfirma vom 05.12.2006, volle Kostenübernahme durch den Beklagten;
- 1.479,71 EUR mit Rechnung der Umrüstungsfirma vom 13.04.2007;
davon erstattete der Beklagte lediglich 1.071,71 EUR, weil er die bereits gezahlten 361,51 EUR auf das zur Verfügung stehende Gesamtbudget von 1.432 EUR anrechnete; der Kläger legte keinen Widerspruch ein.
Am 11.03.2008 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für eine weitere Reparatur der Schiebetür an seinem Fahrzeug. Er legte eine auf den 05.03.2008 datierte Rechnung der Umrüstungsfirma vor, die folgenden Arbeitsablauf dokumentiert: elektrische Schiebetür ohne Funktion; Tür zerlegen, defekten Stellmotor der Zentralverriegelung erneuern, Steuergerät der elektrischen Schiebetür erneuern (Folgeschaden). Der Endpreis belief sich auf 881,21 EUR; der Kläger zahlte diesen Betrag an die Umrüstungsfirma.
Der Beklagte setzte auf den Antrag eine handschriftliche Zusammenstellung der bisherigen einschlägigen Aufwendungen und berechnete die Fünfjahreszeiträume gemäß § 29 der Orthopädieverordnung (OrthV). Die Fertigstellung der Schiebetür sei am 13.10.1998 erfolgt. Der erste Fünfjahreszeitraum sei vom 13.10.1998 bis 12.10.2003 gelaufen, der zweite vom 13.10.2003 bis 12.10.2008. Mit Bescheid vom 26.03.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab und trug zur Begründung vor, der Höchstbetrag gemäß § 29 Satz 1 Nr. 1 OrthV von 1.432 EUR sei bereits durch die bisherigen im Fünfjahreszeitraum bezahlten Reparaturen erschöpft.
Am 27.03.2008 legte der Kläger Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, die Reparaturkosten der Schiebetür seien aufgrund eines Folgeschadens entstanden. Die defekte Steuerung der Schiebetür, die erst kurz vorher ersetzt worden sei, habe nicht auf Garantie erneuert werden können. Er, der Kläger, brauche das Auto, um zur Arbeit zu kommen, um den notwendigen Rehabilitationssport machen zu können, um soziale Kontakte zu erhalten und um Einkäufe tätigen zu können. Die konkreten Umstände, so der Kläger weiter, würden einen besonderen Härtefall verkörpern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2008 wies der Beklagte den Widerspruch als un-begründet zurück. In der Begründung...