Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Billigkeit der anwaltlichen Gebührenbestimmung. Toleranzgrenze. Terminsgebühr. Bemessungskriterien. Terminsdauer

 

Orientierungssatz

1. Für die Beurteilung der Frage, ob bei der Bestimmung der billigen Gebühr die Toleranzgrenze von 20% überschritten ist, sind die gesamten Gebühren des Verfahrensabschnitts maßgeblich. Eine isolierte Betrachtung einzelner Gebühren ist nicht zulässig.

2. Bei der Bewertung der Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV ist die Dauer des Termins das wesentliche Kriterium, denn damit wird der Aufwand des Rechtsanwalts in zeitlicher Hinsicht unmittelbar erfasst, den er für seine Anwesenheit bei dem Termin hat. Daneben sind jedoch alle anderen Kriterien des § 14 RVG maßgeblich zu berücksichtigen; die Ansicht, die Dauer des Termins sei allein wesentliches Bemessungskriterium dieser Gebühr widerspricht dem klaren Wortlaut des Gesetzes (so zB auch LSG Erfurt vom 11.11.2013 - L 6 SF 230/13 B).

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1 S. 1, § 56 Abs. 1, 2 S. 1; VV RVG Nrn. 3106, 3102, 1006; BGB § 315 Abs. 3

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 25. März 2014 sowie die Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 13. November 2013 abgeändert. Für das Klageverfahren Aktenzeichen S 9 AS 128/13 wird die Terminsgebühr auf 300,00 Euro (zuzüglich Umsatzsteuer) festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht.

Streitig ist die Höhe der Verfahrens-, der Termins- und der Einigungsgebühr.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg (SG), Aktenzeichen S 9 AS 128/13, ging es um die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids des Job-Centers bezüglich Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 08.03.2013 erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten, den Beschwerdeführer, Klage und beantragte die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 26.06.2013 entsprochen; der Beschwerdeführer wurde beigeordnet.

Nach Akteneinsicht und Klagebegründung sowie drei kürzeren Stellungnahmen fand am 02.10.2013 vor der erkennenden Kammer des SG die mündliche Verhandlung statt. In dieser, die vier Stunden und zehn Minuten dauerte, wurde u. a. eine Zeugin einvernommen. Der Rechtsstreit wurde vergleichsweise beendet. Der Kläger konnte u. a. eine Reduzierung der Erstattungsforderung (auf 5.000,00 Euro) erreichen.

Am 05.11.2013 beantragte der Beschwerdeführer, seine Vergütung wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG:

  375,00 EUR (str.)

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG:

  380,00 EUR (str.)

Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG:

  285,00 EUR (str.)

Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG:

   20,00 EUR

Dokumentenpauschale, Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG:

   52,75 EUR

Tage- u. Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV RVG:

   15,00 EUR

Fahrtkosten, Nr. 7004 VV RVG (1/4):

    6,13 EUR

Zwischensumme:

1.133,88 EUR

19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG:

  215,44 EUR

1.349,32 EUR

Die Bedeutung des Rechtsstreits, so der Beschwerdeführer, sei für den Kläger aufgrund der erheblichen Rückforderungssumme von mehr als 7.000,00 Euro gegeben; Gleiches gelte für die Schwierigkeit und den Umfang der Angelegenheit, welcher sich bereits aus der langen Verhandlungsdauer von mehr als vier Stunden abzeichnen lasse. Zu berücksichtigen seien die durchschnittlichen mündlichen Verhandlungen vor den Sozialgerichten von ca. 15 bis 20 Minuten. Bei der Einigungsgebühr sei zu berücksichtigen, dass die Vergleichsfindung äußerst schwierig gewesen sei und dass bei dem Vergleich auch die Zeugin mit eingebunden gewesen sei.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.11.2013 setzte die Kostenbeamtin die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf einen Betrag in Höhe von 1.012,55 Euro fest. Abweichend vom Kostenfestsetzungsantrag hielt sie lediglich eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr (250,00 Euro) sowie bei der Terminsgebühr (260,00 Euro) und bei der Einigungsgebühr (247,00 Euro) eine Erhöhung um 30 % über der Mittelgebühr für gerechtfertigt. Die übrigen Kostenansätze wurden antragsgemäß übernommen, so dass sich ein zu erstattender Betrag in der genannten Höhe ergab.

Der Zeit- und Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts sei als durchschnittlich einzustufen. Zwar sei für den Kläger die Bedeutung des Rechtsstreits aufgrund der Höhe der Rückforderung gegeben, jedoch stelle die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei Vorliegen eines Prämiensparvertrags entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine erhebliche Schwierigkeit bzw. keinen erheblichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit dar. Die Verfahrensgebühr sei daher in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen. Im Hinblick auf die ...

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