Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Anforderung an die Annahme einer Erwerbsminderung bei einer psychischen Erkrankung. Zuordnung eines Schichtleiters zu einer Berufsgruppe im Rahmen der Prüfung einer Berufsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Orientierungssatz
1. Sind bei einer psychischen Erkrankung die Behandlungsoptionen noch nicht ausgeschöpft, kommt eine Berücksichtigung der Erkrankung bei einer rentenrechtlichen Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nicht in Betracht.
2. Die Tätigkeit eines Schichtleiters in der chemischen Industrie ist auch dann im Rahmen der Beurteilung einer Berufsunfähigkeit der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen, wenn der Betroffene seine Kenntnisse durch Heraufarbeiten im Rahmen langjähriger Berufserfahrung erworben hat. Dagegen ist die Tätigkeit als Schichtleiter mit den Aufgaben der Gruppenführung von ungelernten und angelernten Mitarbeitern innerhalb einer Schicht noch nicht der Tätigkeit eines Meisters vergleichbar.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.03.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Weiterzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den März 2008 hinaus hat.
Der 1958 geborene Kläger übte über viele Jahre eine Berufstätigkeit in der Chemieindustrie aus. Seit 27.03.2006 bestand bei ihm Arbeitsunfähigkeit und in einem Gutachten nach Aktenlage, das P. K. am 21.12.2006 für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) erstellt hatte, wurde eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme empfohlen.
Am 08.01.2007 beantragte der Kläger über die AOK Bayern - die Gesundheitskasse - eine solche Maßnahme, die ihm nach Weiterleitung des Antrags an die Beklagte auch bewilligt wurde. Vom 22.02.2007 bis 29.03.2007 befand sich der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in der Fachklinik H. . Im dortigen Entlassungsbericht vom 03.04.2007 sind als Diagnosen festgehalten:
1. Gemischte axonale und demyelinisierende sowohl sensible als auch motorische Polyneuropathie mit vegetativer Symptomatik.
2. Zustand nach Infektion mit Epstein-Barr-Virus.
3. Verdacht auf mitochondriale Störung.
4. Verdacht auf Neurodermitis.
Der Kläger wurde als weiterhin arbeitsunfähig entlassen. Eine sozialmedizinische Beurteilung sei erst nach abschließender Diagnostik sinnvoll differenzierbar.
Am 20.06.2007 wurde vom Kläger bei der Beklagten der Formblattantrag für eine Rente wegen Erwerbsminderung eingereicht, woraufhin ihm in Folge der Auswertung sämtlicher vorliegender ärztlicher Unterlagen mit Bescheid vom 27.06.2007 auf der Grundlage eines am 27.03.2006 eingetretenen Leistungsfalles eine zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.03.2008 bewilligt wurde.
Beim Kläger wurde mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Mittelfranken Versorgungsamt vom 27.08.2007 ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 wegen Polyneuropathie, psychovegetativen Störungen, Bluthochdruck, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und Refluxösophagitis festgestellt.
Am 11.01.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Weiterzahlung der Rente über den Wegfallmonat hinaus. Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 06.03.2008 durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie D. A. untersucht. Im Gutachten vom 18.03.2008 sind als Diagnosen ausgewiesen:
1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung.
2. Hinweise auf Myalgie-Faszikulation-Campisyndrom.
Der Kläger könne unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen zwar nicht mehr seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als angelernter Chemiearbeiter verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei er jedoch in der Lage, in Tagesschicht bei wechselnder Körperhaltung und ohne Zeitdruck mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auszuüben.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28.03.2008 die Weitergewährung der Rente für die Zeit nach dem 31.03.2008 ab.
Hiergegen legte der Kläger unter Berufung auf ein Attest des Allgemeinmediziners Dr.L. vom 09.04.2008 und die dort bestätigten Schmerzen im Sinne eines nicht gebesserten Fibromyalgie-Syndroms Widerspruch ein.
Zugleich bewilligte die Beklagte dem Kläger eine erneute stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme, diesmal in der Psychosomatischen Klinik in Bad N. . Der dortige Entlassungsbericht vom 31.07.2008 über die in der Zeit vom 29.04.2008 bis 03.06.2008 durchgeführte Maßnahme weist folgende Diagnosen auf:
1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ohne vorherige Behandlung).
2. Ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung.
3. Gemischte a...