Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Aufsichtsbehörde. Vergütungserhöhung zugunsten eines Vorstandsvorsitzenden einer Krankenkasse. Zweckmäßigkeitsüberlegung. Entwicklung von Bewertungsmaßstäben. Überprüfung. Gericht
Leitsatz (amtlich)
1. In den Bereichen, in denen das Verwaltungshandeln durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie "Wirtschaftlichkeit", "Sparsamkeit", "Zweckmäßigkeit" oder "Angemessenheit" bestimmt wird, ergeben sich Freiräume, die es den Selbstverwaltungsorganen erlauben, innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen die ihnen sinnvoll und zweckmäßig erscheinenden Regelungen zu treffen.
2. Der Charakter einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung als Akt staatlicher Mitwirkung an der autonomen Rechtsetzung des Sozialversicherungsträgers gibt der Aufsichtsbehörde grundsätzlich das Recht, eigene Zweckmäßigkeitsüberlegungen anzustellen und hierzu Bewertungsmaßstäbe zu entwickeln, mit denen unbestimmte Rechtsbegriffe in einer bestimmten Weise konkretisiert werden.
3. Die Tauglichkeit dieser Maßstäbe und ihre Einhaltung im konkreten Einzelfall werden von den Gericht überprüft.
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Zustimmung der Beklagten zu einer Vergütungserhöhung zugunsten des Vorstandsvorsitzenden der Klägerin.
Herr M. H. ist Vorstandsvorsitzender der Klägerin. Der letzte gültige Dienstvertrag zwischen ihm und der Klägerin wurde am 01.12.2003 abgeschlossen, im Jahr 2009 verlängert bis 30.11.2015.
Am 07.01.2014 informierte die Klägerin die Beklagten darüber, dass für Herrn H. eine Erhöhung der Vergütung geplant sei ab dem 01.1.2014 in folgender letzter Fassung:
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Grundvergütung: |
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150.800 Euro |
Tantieme: |
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35.800 Euro |
AG-Anteil Rente: |
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6.747 Euro |
Betr.AV: |
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6.937 Euro |
Dienst-KFZ: |
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5.880 Euro |
Unfallversicherung: |
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300 Euro |
Gesamtaufwendungen: |
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206.464 Euro |
Nach einem Schriftwechsel zur Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen bat die Beklagte um Übersendung der Endfassung des Nachtrags. Mit Schreiben vom 18.06.2014 wies die Beklagte darauf hin, dass die Gesamtvergütungshöhe als unwirtschaftlich bewertet werde und daher nicht zustimmungsfähig sei.
Gleichwohl bat die Klägerin mit Schreiben vom 03.09.2014 um Zustimmung zu diesem Vertragsentwurf. Mit Beschluss vom 17.09.2014 wurde der Dienstvertrag mit Herrn M. H. um weitere sechs Jahr verlängert. Im weiteren Verlauf führte die Klägerin Gespräche mit der Beklagten, in denen erörtert wurde, dass die zuletzt deutlichen Zuwächse bei den Versichertenzahlen erneut geprüft und bei der Entscheidung über die Zustimmung berücksichtigt würden. Weiter war vereinbart, die Höhe der Tantieme für das Jahr 2014 auf 35.000 Euro zu begrenzen.
Die Klägerin betonte, dass sie seit dem 01.01.2014 bundesweit geöffnet sei. Sie betreibe außerdem mit der M. GmbH als Mehrheitsgesellschafterin das einzige Rechenzentrum außerhalb des AOK-Systems und schaffe damit die Grundlage für einen Wettbewerb der Systemsoftware innerhalb der GKV. Sie wies hin auf ihr besonderes Engagement in der Ausbildung durch Beteiligung als Gesellschafterin an der BKK Akademie unter Wahrnehmung des Aufsichtsratsvorsitzes. Zudem schließe sie Pharmarabattverträge eigenständig ab. Im November 2014 seien 1.039.256 Personen bei ihr versichert gewesen, damit sei sie die größte Betriebskrankenkasse und beschäftige 1.500 Mitarbeiter. Sie vertrat die Ansicht, dass der Zuwachs im Jahr 2014 um 5 % sich im Folgejahr fortsetzen werde. Mit 9% des BKK-Versichertenanteils sei sie nicht nur die größte, sondern auch die finanzstärkste BKK und bei der Absicherung von Haftungsfällen daher eine wesentliche Stütze des BKK-Systems und aufgrund dessen eine Körperschaft von wesentlicher Bedeutung. Sie habe damit eine führende Marktposition. Die BKK-Akademie finanziere sie zu 10 % und bilde selbst viele Mitarbeiter aus (72 Personen im Jahr 2015). Insgesamt werde die Klägerin von 5 Vorständen geleitet.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 25.06.2015 verweigerte die Beklagte die Zustimmung zu dem geplanten Nachtrag. Der Nachtrag entspreche nicht dem Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Sinne von § 69 Abs. 2 SGB IV. Die geplante Bezügeerhöhung entspreche insbesondere nicht den Vorgaben in § 35 a Abs. 6a SGB V. Dieser verlange, dass die Vergütung des Vorstands in einem angemessenen Verhältnis stehen müsse zum Aufgabenbereich, zur Größe und zur Bedeutung der Körperschaft. Nach dem von der Beklagten erstellten Arbeitspapier, das sich an dem Durchschnitt der veröffentlichten Vergütungshöhe der Krankenkassenvorstände orientiert und für die Bedeutung und Größe der Kasse prozentuale Aufschlägers zu 30 % zulässt, sei die geplante Erhöhung unwirtschaftlich. Ein Zuschlag von bis zur 50 % auf die Grundvergütung sei nur bei Alleinvorständen vorgesehen. Eine anderweitige Besonderheit, die eine Abweichung zulassen könnte, sei nicht ersichtl...