Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Aufsichtsbehörde. Zustimmung zu einem Vorstandsdienstvertrag. Beschränkung auf Rechtskontrolle. maßgebliches Kriterium für die Angemessenheit der Vorstandsvergütung. Regelungen zur Anpassung der Vergütung durch eine dynamische Verweisung und zur Weiterzahlung der Vergütung bis zum Ablauf der Bestellungsperiode sind nicht zustimmungsfähig. vollständige gerichtliche Kontrolle. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung zu einem Dienstvertrag eines Vorstandes einer Krankenkasse ist die Aufsichtsbehörde auf eine Rechtskontrolle beschränkt.
2. Maßgebliches Kriterium für die Angemessenheit der Vergütung eines Vorstands einer Krankenkasse ist die Größe der Krankenkasse. Dabei ist auf die Zahl der Mitglieder und nicht auf die Zahl der Versicherten abzustellen.
3. Ob die Vergütung des Vorstands einer Krankenkasse im Verhältnis zur Größe der Krankenkasse als angemessen zu beurteilen ist, ergibt sich aus dem Vergleich mit den Vergütungen des Vorstandes anderer Krankenkassen gleicher Größe.
4. Nicht zustimmungsfähig sind eine Regelung in einem Vorstandsdienstvertrag, die zur Anpassung der Vergütung eine dynamische Verweisung enthält, sowie eine Regelung, die Vergütung bis zum Ablauf der Bestellungsperiode weiterzuzahlen, obwohl das Vorstandsamt beendet ist.
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde unterliegt der vollständigen gerichtlichen Kontrolle.
2. Die Berufsausübungsfreiheit steht unter einfachem Gesetzvorbehalt, der Eingriff muss also auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig sein (vgl zB BVerfG vom 12.12.2006 - 1 BvR 2576/04 = BVerfGE 117, 65 = juris RdNr 60). Diesem Gesetzvorbehalt ist durch § 35a Abs 6a SGB 4 Genüge getan.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird endgültig auf € 138.600,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die aufsichtsbehördliche Zustimmung der beklagten Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: die Beklagte) zu einer Änderungsvereinbarung zum Vorstandsdienstvertrag in der Fassung vom 5. November 2015 mit dem Beigeladenen.
Die Klägerin ist eine Betriebskrankenkasse (BKK) mit Sitz in Baden-Württemberg, deren Zuständigkeitsbereich sich über mehr als drei Länder hinaus erstreckt. Sie hatte 2015 ca. 16.800 Mitglieder. Der durch Beschluss des Senats vom 1. März 2017 Beigeladene ist seit dem 1. Dezember 2003 einziger Vorstand der Klägerin. Die Grundvergütung betrug im Vorstandsdienstvertrag vom 22. September 2003 € 115.000 brutto jährlich sowie im Vorstandsdienstvertrag vom 5. Februar 2009 € 128.000,00 brutto jährlich, jeweils mit Anpassung an Tarifeinkommen der Beschäftigten der Mitglieds-BKKen des Manteltarifvertrags (MTV) der Tarifgemeinschaft der BKKen. Die Grundvergütung hatte sich zuletzt auf ca. € 139.000,00 brutto jährlich erhöht. Zusätzlich erhält er eine Versorgungszusage auf eine betriebliche Altersversorgung i.H.v. 4,8 % des jeweils gültigen Jahresbruttogehalts und ein Dienstfahrzeug.
Am 10. Dezember 2014 wurde der Beigeladene vom Verwaltungsrat der Klägerin für eine weitere Amtsperiode vom 1. Dezember 2015 bis 30. November 2021 wiedergewählt. Die Zustimmung nach § 35a Abs. 6a Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) zu dem von der Klägerin ursprünglich eingereichten Entwurf des Vorstandsdienstvertrages vom 19. Januar 2015, im welchem jährliche Gesamtaufwendungen für die Vergütung des Beigeladenen von € 158.431,00 (Grundvergütung € 139.229,00, Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung € 6.788,00, betriebliche Altersversorgung € 6.683,00, Wert Dienstwagen € 5.731,00) vereinbart waren, lehnte das Bundesversicherungsamt (BVA) mit Bescheid vom 9. September 2015 ab. Hiergegen richtete sich ursprünglich die vorliegende, am 14. September 2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobene Klage. Im Laufe des Verfahrens teilte die Klägerin die Vertragsinhalte des ersten Entwurfs auf zwei Verträge auf. Im Vorstandsdienstvertrag vom 5. November 2015, den das BVA mit Bescheid vom 1. Dezember 2015 genehmigt, berücksichtigte sie die Beanstandungen des BVA. Vereinbart ist eine Grundvergütung € 117.348,00 brutto jährlich. In einer Änderungsvereinbarung zum Vorstandsdienstvertrag vom 5. November 2015 wurden die Regelungen niedergelegt, die im ersten Entwurf vom BVA beanstandet wurden. Die Änderungsvereinbarung hat folgenden Wortlaut:
Präambel
[...] Erteilt das BVA in Zukunft (z.B. aufgrund rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung) die Zustimmung zu dieser Änderungsvereinbarung, gelten rückwirkend ab 01.12.2015 die Regelungen dieser Änderungsvereinbarung, soweit sie Abweichendes vom Vorstandsvertrag bestimmen.
[...]
§ 1 Vergütung
(1) Abweichend von § 5 Abs. 1 des Vorstandsvertrages erhält der Vorstand für seine Tätigkeit seit 01.12.2015 eine Gesamtjahresvergütung in Höhe von 139.229 € brutto....