Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. örtliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts. Krankenversicherung. Vorstandsvorsitzender. Zusatzvertrag zum Basisdienstvertrag. zusätzliche Vergütung. Ablehnung durch Aufsichtsbehörde. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur örtlichen Zuständigkeit des Landessozialgerichts in Klagen nach § 29 Abs 2 Nr 2 SGG.

2. Der unbestimmte Rechtsbegriff des "angemessenen Verhältnisses" der Vergütung von Vorständen einer Krankenkasse unterliegt der Rechtskontrolle der Gerichte.

3. Ob die Vorstandsvergütung in einem angemessenen Verhältnis zum Aufgabenbereich, zur Größe und zur Bedeutung der Körperschaft steht, beurteilt sich zuvorderst anhand eines Vergleichs mit den Bezügen von Vorständen von Krankenkassen, mit einer vergleichbaren Anzahl Versicherter. Ein Vergleich mit beamtenrechtlichen Regelungen oder privatwirtschaftlicher Vergütungsmöglichkeiten scheidet aus. Maßgeblich ist hierbei die Gesamtheit der von der Krankenkasse zu tragenden finanziellen Aufwendungen.

4. Die Verweigerung der Zustimmung der Aufsichtsbehörde zu einem Vorstandsdienstvertrag verletzt den Vorstand nicht in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 GG).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird endgültig auf 29.256,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die aufsichtsbehördliche Zustimmung der Beklagten zu einem Zusatzvertrag zum Vorstandsbasisdienstvertrag mit dem Beigeladenen, mit welcher die Vergütung gegenüber dem Basisvertrag erhöht werden soll.

Die Klägerin ist eine Betriebskrankenkasse mit Sitz in Baden-Württemberg, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet des Landes Baden-Württemberg hinaus, seit der Fusion mit der B. BVM im Jahr 2009, auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Die Klägerin verfügte im Februar 2016 über 327.080 Versicherte. Sie beschäftigt nach ihren eigenen Angaben rund 800 Mitarbeiter und zählt zu den 20 größten bundesweit geöffneten Krankenkassen (www.d.-sch..de/U.). Sie wird von zwei Vorständen geführt. Der im Jahr 1970 geborene Beigeladene ist seit dem 01.09.2006 bei der Klägerin als einer von zwei Vorstandsmitgliedern tätig. Noch vor Beendigung seiner Amtszeit zum 31.12.2015 wurde er durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 13.10.2014 für die Dauer von weiteren sechs Jahren ab dem 01.01.2016 zum Mitglied des Vorstands bestätigt.

Am 15.01.2015 legte die Klägerin erstmals Vorstandsdienstverträge für den Beigeladenen ab dem 01.01.2016 mit der Bitte um Zustimmung nach § 35a Abs. 6a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) seitens der Aufsichtsbehörde vor. Mit Schreiben vom 10.04.2015 und 02.09.2015 meldete die Beklagte verschiedene Genehmigungsvorbehalte an. Die Klägerin kam daraufhin mit der Beklagten überein, den Vorstandsdienstvertrag in insgesamt drei Verträge aufzusplitten, da sich die Bedenken der Beklagten zuletzt nur noch gegen die Vergütungshöhe richteten, der Beigeladene aber ab dem 01.01.2016 nicht gezwungen werden sollte, ohne Absicherung durch einen Dienstvertrag und ohne eine vertraglich gesicherte Grundvergütung seine Vorstandstätigkeit auszuüben.

Zum Basisdienstvertrag erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 03.12.2015 und zu einem nachfolgenden Änderungsvertrag mit Bescheid vom 05.04.2016 die Zustimmung nach § 35a Abs. 6a SGB IV. Der (Basis-)Dienstvertrag enthält dabei hinsichtlich der Vergütung nachfolgende Regelungen:

§ 5 Vergütung

(I.) Das Vorstandmitglied erhält als Grundvergütung ein fixes Jahresgehalt in Höhe von € 152.600,00 brutto (in Worten: einhundertzweiundfünfzigtausendsechshundert EURO), zahlbar nach Abzug der gesetzlichen Abgaben in 12 gleichen Teilen jeweils spätestens am letzten Arbeitstag eines jeden Monats.

(II.) Die Grundvergütung wird unbeschadet des aufsichtsbehördlichen Zustimmungserfordernisses ab dem 2. Jahr jährlich überprüft.

(III.) Zusätzlich zur Grundvergütung kann das Vorstandsmitglied weitere feste und variable Vergütungsbestandteile erhalten. Diese werden in einer gesonderten Vereinbarung geregelt, die nach derzeitiger Gesetzeslage der Zustimmung durch das Bundesversicherungsamt bedarf; auf § 19 wird verwiesen.

(IV.) Endet der Dienstvertrag vor Ablauf eines Geschäftsjahres, so erhält das Vorstandmitglied eine entsprechend pro rata temporis ermäßigte Vergütung. Dasselbe gilt für Zeiten einer Freistellung durch die SKK und für Zeiten, in denen das Dienstverhältnis ruht oder in denen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht besteht.

(V.) Zahlungen erfolgen mit befreiender Wirkung bargeldlos auf das vom Vorstandsmitglied zuletzt benannte Konto.

(VI.) Mit der Zahlung der Gesamtvergütung sind sämtliche Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit, sämtliche Arten von Gratifikationen, ein 13. Monatsgehalt sowie die Zahlung von vermögenswirksamen Leistungen abgegolten. Weitere Leistungen der SKK, die in diesem Vertrag nicht ausdrücklich geregelt sind, begründen keinerlei Ansprüche für die Zukunft, auch wenn sie wiederh...

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