Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Rente wegen Erwerbsminderung. versicherungsrechtliche Voraussetzungen. Handwerker. Befreiung von der Versicherungspflicht. keine Beratungspflicht des Rentenversicherungsträgers bzgl Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Dass Handwerker die Möglichkeit der Befreiung nach § 6 S 1 Nr 4 SGB 6 wählen, stellt für den Rentenversicherungsträger einen typischen Geschehensverlauf dar, der als solcher keinen erhöhten Beratungsbedarf hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit begründet.

 

Orientierungssatz

Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann nur verlangt werden, was in dem betreffenden Rechtsgebiet seiner Art nach zulässig ist, hingegen nicht Gestaltungen, die das Gesetz nicht kennt oder generell ausschließt. Ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liegt, ist allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (vgl BSG vom 12.10.1979 - 12 RK 47/77 = BSGE 49, 76 = SozR 2200 § 1418 Nr 6).

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.07.2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1956 geborene Kläger hat nach seinen Angaben in Rumänien den Beruf eines Goldschmiedes erlernt und auch die Meisterprüfung abgelegt. Er ist im Mai 1988 in die Bundesrepublik übergesiedelt und war auch danach in seinem erlernten Beruf tätig. In der Zeit vom 01.07.1997 bis 06.11.1997 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Mit Gewerbeanmeldung am 08.10.1997 und Beginn am 07.11.1997 betrieb der Kläger einen Einzelhandel mit Schmuck und Goldschmiedehandwerk. Der Betrieb war vom 30.11.1997 bis zum 01.10.2001 in der Handwerksrolle eingetragen; die Gewerbeabmeldung erfolgte ebenfalls zum 01.10.2001. Ab 04.10.2001 war der Kläger arbeitslos ohne Leistungsbezug.

Mit Schreiben vom 17.11.1997 beantragte der Kläger formlos die Befreiung aus der Handwerkerpflichtversicherung ab 01.12.1997 und bat um eine Auflistung seiner Versicherungszeiten. Mit Eingang am 08.12.1997 übersandte der Kläger den von ihm am 27.11.1997 unterzeichneten Fragebogen. Die Beklagte entsprach dem Antrag auf Befreiung mit Bescheid vom 07.01.1998. Der Kläger werde ab 30.11.1997 von der Versicherungspflicht befreit; für den Kläger seien mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden.

Die Akten der Beklagten enthalten den Entwurf eines an den Kläger gerichteten Bescheides vom 19.12.1997 über die Feststellung von in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurücklagen, also die Zeiten bis 31.12.1990. Dem beigefügt befindet sich in den Akten ein Entwurf eines Schreibens vom 19.12.1997, mit dem eine Rentenauskunft erteilt wird. Diese enthält auch den Hinweis, dass eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nur gezahlt wird, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt sind.

Am 05.02.2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung unter Vorlage von Befundberichten des Klinikums A-Stadt vom 06.03.2003 und des Internisten Dr. D. vom 13.03.2003. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 08.05.2003 ab. Ausgehend von der Antragstellung seien in den vergangenen fünf Jahren (maßgeblicher Zeitraum vom 05.02.1998 bis 04.02.2003) keine Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden. Auch sei in der Zeit vom 01.01.1984 bis zum Monat vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Bei Befreiung von der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 07.01.1998 sei er nicht darüber informiert worden, dass er seine Rechte gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung verlieren werde. Er bat um die Prüfung der Möglichkeit, bestimmte Beiträge nachzuzahlen, um seine Rechte wieder zu erlangen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2003 zurück. Sie hielt daran fest, dass die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt seien. Eine Nachentrichtung von Beiträgen für den maßgeblichen Zeitraum komme nicht in Betracht. Es brauche unter diesen Umständen nicht geprüft werden, ob in gesundheitlicher Hinsicht eine Erwerbsminderung eingetreten sei.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben; dieses hat den Rechtsstreit an das SG Nürnberg verwiesen. Der Kläger hat vorgebracht, dass eine Aufklärung über die Folgen der Befreiung von der Versicherungspflicht erst im Bescheid vom 08.05.2003 erfolgt sei. Bei Kenntnis der entsprechenden Tatsachen hätte er freiwillige Beiträge geleistet, um den Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten. Er habe sich bereits seit Januar 2001 ...

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