Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Erstattung der Kosten für eine Unterkieferprotrusionsschiene
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der hier durchgeführten Therapie des Schlafapnoe-Syndroms handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Der Behandlung einer obstruktiven Schlafapnoe mit einer Unterkieferprotrusionsschiene liegt ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde.
2. Bislang liegt hierzu die erforderliche Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht vor.
3. Eine positive Empfehlung liegt insb. nicht in den Ausführungen des Unterausschusses „Ärztliche Behandlung“ des GBA in dem Bericht „Diagnostik und Therapie der schlafbezogenen Atmungsstörungen“ über die Beratungen von 1998-2004 zur Bewertung der Polygraphie und Polysomographie vor.
4. Auch ein Systemversagen ist nicht gegeben.
5. Das Schlafapnoe-Syndrom stellt weder eine Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1 a SGB V noch einen sog. Seltenheitsfall dar.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. Oktober 2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2017 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten für eine Unterkieferprotrusionsschiene (UPS) in Höhe von 1.312,24 Euro streitig.
Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an einem Schlafapnoesyndrom. Die Klägerin beantragte am 09.09.2016 unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung der Praxis für zahnärztliche Schlafmedizin Dr. Karl H. und eines Kostenvoranschlages der Praxis vom 07.09.2016 bei der Beklagten eine UPS. Nach der ärztlichen Bescheinigung liege laut beiliegendem Befundbericht des HNO-Facharztes Dr. F. ein leichtgradiges Schlafapnoesyndrom vor. Da die Obstruktionen mit Abfall der Sauerstoffsättigung überwiegend rückenlageassoziiert seien, sei die Prognose für eine Behandlung mit der UPS gut. Die Behandlung sei medizinisch indiziert.
Mit Schreiben vom 12.09.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeschaltet werde und forderte aktuelle Befundberichte an. Nach Weiterleitung der Unterlagen an den MDK und erfolgter Stellungnahme werde über den Antrag entschieden.
Der MDK kam in seinem Hilfsmittelgutachten vom 06.10.2016 zum Ergebnis, eine Hilfsmittelversorgung mit dem im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Produkt sei nicht erforderlich. Das Hilfsmittel sei nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Es stehe im Zusammenhang mit der Therapie eines Schlafapnoesyndroms. Standardtherapie sei die nCPAP-Therapie, bei leichteren Formen könne eine Indikation für eine orofaciale Gebissschiene bestehen. Die Wirksamkeit des empfohlenen Hilfsmittels könne erst nach Effektivitätskontrolle beurteilt werden. Vor einer definitiven Versorgung bei nicht gesichertem Therapieerfolg wäre daher zunächst die Anpassung einer thermolabilen bzw. provisorischen Schiene zu empfehlen gewesen.
Mit Bescheid vom 07.10.2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin erhob Widerspruch. Die UPS sei aus ärztlicher Sicht das einzig medizinisch notwendige Hilfsmittel, um der Klägerin wirksam zu helfen. Die Rechtsprechung habe in vergleichbaren Fällen die Esmarch-Orthese anerkannt.
Die Klägerin legte zusätzliche Unterlagen vor. Aus einer ärztlichen Bescheinigung des Neurologen Dr. R. vom 18.11.2016 geht hervor, dass sie an rezidivierenden mittelgradigen depressiven Episoden, Panikattacken und Agoraphobie leidet und seit Jahren mit Antidepressiva behandelt wird. Wegen der psychischen Erkrankung sei medizinisch zu empfehlen, dass die Klägerin nicht mit einer Atemmaske behandelt werde. Aufgrund der allgemeinen medizinischen Erfahrung sei eindeutig davon auszugehen, dass der Erfolg einer solchen Behandlung wegen der psychischen Erkrankung erheblich gefährdet sei. Vorgelegt wurde weiter das Ergebnis einer Messung mit Protrusionsschiene in der Praxis Dr. F. sowie ein diesbezüglicher Arztbrief, nach dem subjektiv und objektiv eine Besserung eingetreten sei.
In einer Stellungnahme vom 15.12.2016 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass auch nach Vorlage der Messungen das beantragte Hilfsmittel nicht befürwortet werde. Ziel sei es vielmehr, Rückenlage zu vermeiden. Dies könne durch Einnähen eines Tennisballs in das Schlafanzugoberteil oder durch Tragen eines handelsüblichen Reiserucksacks erreicht werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln bestehe nur bei Vorliegen einer medizinischen Indikation. Zur Klärung der Frage, ob eine medizinische Indikation vorliege, sei der MDK eingeschaltet worden. Die Gutachter des MDK seien zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht vorlä...