Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Wegeunfall. Überfall. Parkplatz

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Überfall auf dem Weg von oder zur Arbeit ist nur dann als Wegeunfall zu werten, wenn der Angreifer ein "betriebsbezogenes Motiv" hat oder wenn die besonderen Verhältnisse des Arbeitswegs die Gewalttat entscheidend begünstigt haben.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.12.2006; Aktenzeichen B 2 U 130/06 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 29.09.2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1968 geborene Klägerin wurde am 18.06.2002 gegen 16:10 Uhr beim Heimweg von ihrer Tätigkeit im Klinikum A. von einem Bekannten durch mehrere Messerstiche schwer verletzt.

Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft handelt es sich bei dem Tatort um eine Parkbucht des Zentralklinikums, die über die Zufahrt zur Notaufnahme zu erreichen ist. Der Arbeitgeber der Klägerin, das Klinikum A., gab an, es handele sich um einen öffentlichen, gut einsehbaren Parkplatz. Der Parkplatz werde hauptsächlich von Beschäftigten des Zentralklinikums benutzt. Die Klägerin gab an, zu dem Täter eine Beziehung gehabt zu haben, die sie beendet habe. Schon am 20. Mai 2002 habe er sie vor ihrem Wohnhaus in ihrem Auto verletzt. Am 18.06.2002 sei der Täter plötzlich direkt neben ihrem Auto gestanden. Sie sei auf dem Weg zum Auto beschäftigt gewesen, einige SMS abzurufen und habe den Täter vermutlich darum nicht bemerkt. Sie vermute, dass der Täter von ihr abgelassen habe, weil sich jemand genähert habe. Neben ihrem Auto hätten weitere Fahrzeuge gestanden. Die Staatsanwaltschaft führte in der Anklageschrift vom 11.11.2002 aus, aus Wut und Eifersucht, weil die Klägerin den Täter verlassen und sich seiner Meinung nach einem neuen Partner zugewandt habe, habe er am 18.06.2002 beschlossen, sie zu töten. In dieser Absicht habe er ihr auf dem Beschäftigtenparkplatz vor dem Gebäude der Kinderklinik A. aufgelauert. Der Täter wurde mit Urteil vom 07.05.2003 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.09.2003 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls vom 18.06.2002 ab: ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung liege nicht vor. Die Klägerin sei am 18.06.2002 Opfer eines Überfalls geworden, der sich weder aus Gründen, die in ihrer Beschäftigung zu suchen seien, noch aus der Zurücklegung des Heimweges von der Arbeitsstelle ergeben habe. Der Überfall habe sich nachmittags gegen 16:10 Uhr auf einem öffentlichen, gut einsehbaren Parkplatz ereignet. Es könne also nicht davon ausgegangen werden, dass die Örtlichkeit den Überfall wesentlich begünstigt habe.

Die Klägerin wandte mit Widerspruch vom 22.10.2003 ein, der Unfall habe sich außerhalb des Klinikgeländes auf einem abgeschiedenen Parkplatz, der ringsum bewaldet und mit einer Mauer abgeschlossen sei, ereignet. Der Täter habe gewusst, dass sie ihr Auto ausschließlich auf diesem Parkplatz abstellte und dass sie aus ihrer Schicht die Einzige war, die dort parkte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Wegeumstände hätten die Tat nicht wesentlich begünstigt. Die Gesamtumstände sprächen dafür, dass für den offensichtlich zu allem entschlossenen Täter Ort und Zeit eher nebensächlich gewesen seien. Eine Tatbegehung zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel vor der Wohnung der Klägerin, wäre genauso gut denkbar und möglich gewesen. Immerhin habe der Täter noch einen Schlüssel zur Wohnung besessen.

Mit der Klage zum Sozialgericht Augsburg hat die Klägerin nochmals betont, die einzige Gelegenheit, sie zu überfallen, sei für den Täter auf dem Parkplatz der Arbeitsstelle gegeben gewesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.09.2004 abgewiesen. Aus der Akte der Staatsanwaltschaft A. ergebe sich, dass es sich nicht um einen besonders einsam gelegenen Parkplatz gehandelt habe, vielmehr sei dort Auto an Auto geparkt gewesen. Der Täter habe sich auch nicht darauf verlassen können, dass kein anderer Parkplatzbenutzer zur gleichen Zeit anwesend sein würde.

Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin eingewandt, der Arbeitsplatz sei der einzige dem Täter bekannte Ort, der die Ausführung des Tatplans ermöglicht habe. Die Klägerin habe den Parkplatz trotz des Angriffs vom 20.05.2002 benutzt, weil sie ihr Leben so normal wie möglich fortführen wollte. Im Übrigen hätte ein anderer Parkplatz einen weiteren Fußweg erfordert.

Die Klägerin stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 29.09.2004 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2004 zu verurteilen, ihr aus Anlass des Unfalls vom 18.06.2002 Entschädigungsleistungen zu gewähren.

Hilfsweise beantragt sie,

den Täter als Zeugen d...

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