Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung in einem Vermittlungsvorschlag

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsfolgenbelehrung in einem Vermittlungsvorschlag ist falsch, wenn auf eine später aufgehobene vorangegangene Pflichtverletzung und einem Wegfall des Alg II hingewiesen wird, wegen der Aufhebung des vorangegangenen Sanktionsbescheides dann aber nur der Eintritt einer Minderung von 60 vH festgestellt wird. Es handelt sich nicht um eine bloße Überbelehrung.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.05.2013 und der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Minderung des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der Verhinderung der Anbahnung einer Tätigkeit.

Der 1983 geborene Kläger bezog nach einer Umschulung zum Reiseverkehrskaufmann zuletzt aufgrund des Bescheides vom 28.01.2013 wegen der fehlenden Nebenkostenabrechnung und schwankenden Einkommens aus einer geringfügigen Tätigkeit vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.07.2013. Dabei war für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.03.2013 eine Sanktion in Höhe von 224,40 € aufgrund des Minderungsbescheides vom 30.11.2012 (60 vH des Regelbedarfes wegen einer ersten wiederholten Pflichtverletzung) berücksichtigt. Vorangegangen war eine Minderung wegen einer ersten Pflichtverletzung mit Bescheid vom 21.03.2012 für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.06.2012.

Am 07.12.2012 unterbreitete der Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag (VV). Der Kläger solle sich bei der Firma S.-R. als Reiseverkehrskaufmann per Email bewerben und Zeugnisse vorlegen. Bei Weigerung, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, sehe das Gesetz Leistungsminderungen vor. Das Alg II des Klägers sei zuletzt aufgrund eines ersten wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag in Höhe von 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs gemindert worden (vgl. Bescheid vom 30.11.2012). Weigere er sich, die ihm mit dem VV angebotene Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen, entfalle das ihm zustehende Alg II vollständig. Ein weiterer wiederholter Pflichtverstoß liege auch vor, wenn er die Aufnahme der angebotenen Arbeit durch negatives Bewerbungsverhalten vereitele. In seiner Email vom 20.12.2012 an die Firma S.-R. bewarb sich der Kläger mit dem Hinweis, dass er die Umschulung zum Reiseverkehrskaufmann im Dezember 2011 beendet habe und sich seither ehrenamtlich in sozialen und wirtschaftlichen Bereichen (zB O.-B.) als auch bei der sozialen und wirtschaftlichen Integration von Hilfebedürftigen sowie im Dauerprotest der Flüchtlinge und bei der Integration der Flüchtlinge engagiere. Eine Tätigkeit im Reisebüro lasse sich wunderbar mit seinen privaten und politischen Interessen verbinden, da interessante Gespräche über die jeweiligen Situationen in Problemgebieten an der Tagesordnung seien und so auch unter den Reisenden ein Bewusstsein für deren Einfluss auf die entsprechenden Ziele gebildet werden könne. Die Firma S.-R. teilte der Beklagten daraufhin mit, der Kläger habe keine Zeugnisse übersandt. Auf Anhörung zum Inhalt der Bewerbung und zur Nichtvorlage von Zeugnissen erklärte der Kläger, er habe seine Zeugnisse aufgrund eines Umzuges nicht finden können, habe dies aber in seiner Bewerbung nicht erwähnt, um nicht unorganisiert zu erscheinen. In seiner Bewerbung müsse er sich auch nicht besser darstellen als er sei. Im Übrigen habe er in seinem Lebenslauf ausführliche Angaben zu seinem persönlichen und beruflichen Werdegang gemacht. Mit Bescheid vom 21.02.2013 stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung des Alg II in Höhe von 229,20 € monatlich für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 fest. Die Bewerbung per Email habe nicht dem entsprochen, was man nach herrschender Meinung unter einer Bewerbung verstehe. Er sei allein auf sein ehrenamtliches Engagement und auf seine Privatinteressen eingegangen und habe auch keine Zeugnisse vorgelegt. Dies habe zur Verhinderung der Arbeitsaufnahme geführt. Wichtige Gründe für sein Verhalten seien nicht dargelegt worden. Seit dem Umzug im Juli 2012 habe er sich um den Ersatz von Zeugnissen kümmern können. Nachdem er wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei ("vorangegangene Pflichtverletzung siehe laut Bescheid vom 21.03.2012"), werde für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 eine Minderung des Alg II um 60 vH des maßgebenden Regelbedarfs festgestellt.

Den Minderungsbescheid vom 30.11.2012 hob der Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2013 auf. Mit Bescheid vom 21.03.2013 hob der Beklagte zudem den Bewilligungsbescheid vom 28.01.2013 für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.04.2013 teilweise auf. Eine vom Kläger zu zahlende Nebenkostennachzahlung in Höhe von 165,57 € w...

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