Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Pflegeversicherung. Pflegestufe III. Pflegebedarf

 

Leitsatz (redaktionell)

Erfolgt das Umlagern des zu Pflegenden in Verbindung mit grundpflegerischen Verrichtungen (hier: Wechseln von Windelhosen), kann ein Zeitbedarf hierfür nicht gesondert ausgewiesen werden.

Schwankungen im Gesundheitszustand, die zu unterschiedlichem Pflegebedarf führen, sind bei der Bemessung des Pflegebedarfs zu berücksichtigen.

 

Normenkette

SGB XI § 37 Abs. 1, § 15 Abs. 3 Nr. 3

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16. März 2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III ab 1. Mai 2005.

Bei der 1929 geborenen Klägerin bestehen ein Zustand nach Hüft-Totalendoprothese (TEP) beidseits bzw. nach Hüft-TEP-Entfernung rechts nach Infektion (März 2005), Zustand nach Knie-TEP rechts, Polyarthrosen mit Bewegungseinschränkungen bzw. Immobilität, eine komplette Harn- und Stuhlinkontinenz, eine Osteoporose, ein Diabetes mellitus sowie ein Zustand nach cerebraler Durchblutungsstörung. Sie bezog seit Oktober 2000 Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II und beantragte am 18. Mai 2005 eine Höherstufung. Seit 25. Oktober 2006 gewährt die Beklagte der Klägerin Leistungen der Pflegestufe II für stationäre Pflege.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK in Bayern vom 21. Juni 2005 nach Hausbesuch ein. Der MDK errechnete einen Zeitbedarf für den Bereich Grundpflege in Höhe von 184 Minuten pro Tag (Körperpflege 87 Minuten, Ernährung 70 Minuten, Mobilität 27 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung von 60 Minuten pro Tag. Bei den grundpflegerischen Verrichtungen habe der Hilfebedarf nicht zugenommen.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte sie eine erneute Stellungnahme des MDK vom 7. September 2005 nach Hausbesuch ein. Der Zeitbedarf für die Grundpflege wurde danach mit 200 Minuten (Körperpflege 101 Minuten, Ernährung 75 Minuten, Mobilität 24 Minuten) eingeschätzt, für hauswirtschaftliche Versorgung mit 60 Minuten. Unterstellt worden sei ein notwendiger Windelwechsel von maximal zehnmal täglich. Die Körperwäsche am Morgen sei zeitlich gewertet worden, Intimwäschen seien bereits bei den Windelwechseln angerechnet worden. Das Lagern sei im Bereich der Mobilität ausreichend zeitlich gewürdigt worden. Bei festen Nahrungsbestandteilen benötige die Klägerin keine Hilfe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2005 zurück.

Mit der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht Regensburg begehrte die Klägerin weiterhin Pflegeleistungen nach der Pflegestufe III. Sie sei seit 18. Mai 2005 bettlägerig. Sie habe nur mehr eine Hüfte und könne deshalb nicht alleine sitzen und stehen. Hilfebedarf bestehe praktisch bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens. Im Bereich der Grundpflege seien zwischen 240 und 280 Minuten anzusetzen. Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. März 2006 unter Verweis auf die beiden Stellungnahmen des MDK ab.

Mit der Berufung machte die Klägerin, die am 15. Juni 2006 in eine neue Wohnung gezogen war, geltend, sie müsse rund um die Uhr gepflegt werden. Sie benötige z.B. Hilfe beim Waschen, Windeln anziehen, auf den Toilettenstuhl setzen, Anziehen und in den Rollstuhl setzen. Der Senat holte ein Gutachten der Pflegewissenschaftlerin A. F. vom 8. August 2006 ein. Aufgrund der Hüft-TEP-Entfernung im März 2005 bestünden bei der Klägerin schwerste Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Sie sei für lange Zeit bettlägerig gewesen. Derzeit sei sie im Liegen lagerungsstabil; im Pflegeliegestuhl könne sie allein sitzen. Ein Stehen sei nicht mehr möglich. Ferner bestehe ein sehr hohes Sturzrisiko, so dass sie bei jeder Mobilisation außerhalb des Bettes der Übernahme durch eine Pflegeperson bedarf. Im Bereich der Körperpflege (160 Minuten) benötige sie aufgrund ihrer Immobilität die vollständige Übernahme sämtlicher Aktivitäten. Im Bereich der Ernährung seien für die mundgerechte Zubereitung 10 Minuten täglich anzusetzen. Bei der Nahrungsaufnahme sei keine Hilfestellung erforderlich. Im Bereich der Mobilität setzte die Gutachterin 35 Minuten an. Insgesamt betrage die Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege 205 Minuten, für die hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten. Es sei eine "rund-um-die-Uhr-Versorgung" notwendig. Aufgrund der Harn- und Stuhlinkontinenz sei auch zweimal nachts Windelwechsel notwendig. Pflegeerschwerend seien Kotschmieren, Übergewicht und Immobilität zu berücksichtigen. Der Senat vertagte den Rechtsstreit in der Sitzung vom 17. Januar 2007 und holte eine ergänzende Stellungnahme der Gutachterin F. vom 28. Januar 2007 vor allem zu der Bewertung des Zeitbedarfs bei der Ernährung ein. Die Sachverständige führte aus, die Klägerin benötig...

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