Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Erwerbsminderung. Anspruchsvoraussetzungen. chronischer Schmerz
Leitsatz (amtlich)
1. Volle/teilweise Erwerbsminderung - Beweiswürdigung; Vorliegen chronischer Schmerzen.
2. Das Bestehen von Schmerzen allein besitzt noch keine Aussagekraft bezüglich der quantitativen Leistungsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt. Vielmehr muss das Schmerzempfinden in einem spezifischen Wirkungszusammenhang mit den Verrichtungen stehen, die im Rahmen einer Beschäftigung anfallen.
3. Zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Das Berufungsverfahren betrifft die Frage, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusteht.
Der im Jahr 1973 geborene Kläger ist gelernter Konstruktionsmechaniker. Von 1995 bis zu einem Motorradunfall im Jahr 2001 arbeitete er bei der Firma B. als Schweißer und Anlagenbediener (durchgehend stehende Tätigkeit). 2008 nahm er seine Erwerbstätigkeit bei B. im Rahmen einer beruflichen Wiedereingliederung wieder auf, die er bis heute in Vollzeit fortführt. Gegenwärtig arbeitet er in der Prototypenfertigung; dabei fallen Prüfstandstätigkeiten und Umbauten an.
Am 24.04.2001 erlitt der Kläger den erwähnten Motorradunfall, bei dem er sich neben weiteren Verletzungen Becken und Hüfte rechtsseitig sowie den linken Unterarm brach. Nach der stationären Akutbehandlung entwickelten sich bei ihm Schmerzzustände im rechten Bein. Vom 05.06. bis 03.07.2001 durchlief der Kläger eine stationäre Anschlussheilbehandlung in der Orthopädischen Klinik T.. Vom 11.10. bis 13.12.2002 fand eine weitere stationäre Heilbehandlung im Klinikum P. in Bad G. und schließlich vom 02.12.2003 bis 30.01.2004 in der A. Klinik Bad S. statt. Insgesamt wurde der Kläger nach eigenen Angaben dreimal an der rechten Hüfte, viermal am rechten Becken und viermal am linken Handgelenk operiert. Im Vordergrund seiner Beschwerden stehen Schmerzen im rechten Bein und psychische Probleme. Nach dem Unfall entwickelte sich eine depressive Störung in Form einer Fehlverarbeitung des Unfalls. Der Kläger fühlt sich in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit massiv eingeschränkt. Noch vor dem Sachverständigen Prof. Dr. D. im März 2010 hat er geäußert, er verrichte jetzt nur noch leichte Tätigkeiten, er putze, streiche Pfosten, kehre den Boden. Er habe das Gefühl, seine Kollegen würden ihn wegen seiner Leistungsinsuffizienz gering schätzen. Der aktuelle Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht beträgt 60, das Merkzeichen G ist zuerkannt.
Der Kläger befindet sich derzeit in einem Rechtsstreit mit der Haftpflichtversicherung des seinerzeitigen Unfallgegners, wobei darum gestritten wird, ob Schadensersatz wegen Einkommensverlusts zu leisten ist.
Am 31.05.2001 stellte der Kläger einen ersten Rentenantrag. Die Beklagte gewährte ihm eine bis 31.03.2004 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem Unfall. Die Zeitrente wurde bis 31.03.2006 verlängert. Am 05.10.2005 beantragte er die Weitergewährung der Rente. Das wurde jedoch nach einer Begutachtung durch den Unfallchirurgen Dr. S. am 19.12.2005 mit Bescheid vom 17.01.2006 und Widerspruchsbescheid vom 24.02.2006 abgelehnt. Dabei vertrat die Beklagte die Ansicht, ab April 2006 liege das Leistungsvermögen des Klägers wieder bei mindestens sechs Stunden täglich. Eine sodann vor dem Sozialgericht Landshut (S 14 R 261/06) erhobene Klage nahm der Kläger zurück, nachdem der Orthopäde Dr. E. in seinem Gutachten vom 26.10.2006 ein zeitlich nicht eingeschränktes Leistungsvermögen festgestellt hatte.
Am 22.03.2007 beantragte der Kläger erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Am 04.05.2007 wurde er vom medizinischen Dienst der Beklagten (Psychiater Dr. S.) untersucht. Dr. S. diagnostizierte eine traumatische Schädigung des Ischiasnervs rechts, ein neuropathisches Schmerzsyndrom, eine leichte Fußheberschwäche, posttraumatische arthrotische Veränderungen des rechten Hüftgelenks und linken Handgelenks nach Polytrauma, Dysthymie und einen schädlichen Gebrauch von Benzodiazepinen. Gleichwohl könne der Kläger mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten bei ebener Erde und überwiegend im Sitzen mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten. Erforderlich sei überwiegendes Sitzen mit der Möglichkeit zum bedarfsweisen Wechsel der Körperhaltung. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 13.06.2007 ab. Der am 27.06.2007 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 03.09.2007).
Am 04.10.2007 hat der Kläger beim Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Das Sozialgericht hat ihn wiederum vom Orthopäden und Chirurgen Dr. E. begutachten lassen. Dieser ist im Gutachten vom 08.05.2008 zum Ergebnis gekommen, ...