nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Verwertbarkeit von Sachverständigengutachten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einem Sachverständigengutachten kann nicht gefolgt werden, wenn der Sachverständige sein Fachgebiet überschreitet und zur Begründung der quantitativen Einschränkung der Leistungsfähigkeit nur fachfremde Befunde und Diagnosen angibt.

2. Der Sachverständige muss seine Einschätzung der Leistungsfähigkeit begründen. Andernfalls ist das Gutachten nicht nachvollziehbar.

3. Es ist für die Begründung einer quantitativ eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht ausreichend, wenn der Sachverständige nur die mitgeteilten Beschwerden als Befunde auflistet. Der Sachverständige hat diese Beschwerden auf ihre Objektivierbarkeit hin zu überprüfen.

 

Normenkette

SGB VI a.F. §§ 43-44; SGB VI § 300 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Augsburg (Entscheidung vom 10.04.2001; Aktenzeichen S 7 RJ 521/99)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10. April 2001 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1948 geborene Klägerin durchlief von 1964 bis 1967 eine Lehre als Kauffrau, ohne einen Abschluss zu erreichen und war anschließend bei verschiedenen Arbeitgebern in ungelernten Tätigkeiten, zuletzt als Verpackerin und Prüferin der Produktion, mit Schichtarbeit tätig. Aus einem ersten Heilverfahren 1992 in Bad B. wegen Erschöpfungszustandes, Wirbelsäulensyndroms und Bluthochdruckes wurde sie gut erholt entlassen. Ein weiteres Heilverfahren durchlief die Klägerin Ende 1998 in der Psychosomatischen Klinik Bad B. , nachdem ein Enkelsohn an einer seltenen Stoffwechselkrankheit sowie ihre Mutter kurz nacheinander verstorben waren. Der Entlassungsbericht vom 22.12.1998 führt eine deutliche Stabilisierung an sowie vollschichtige Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten einschließlich der Empfehlung, die Klägerin wegen Erschöpfungserscheinungen nicht mehr in Schichtarbeit zu beschäftigen.

Am 01.02.1999 beantragte die Klägerin eine Rente wegen Berufs/Erwerbsunfähigkeit, welche die Beklagte aufgrund des Kurentlassungsberichtes aus Bad B. mit Bescheid vom 15.03.1999 ablehnte. Die Klägerin sei trotz Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit durch ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom sowie arteriellen Bluthochdruck noch in der Lage, 8 Stunden täglich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Schichtbedingungen und ohne besonderen Zeitdruck zu verrichten. Weil sie mangels Berufsschutzes auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne, sei sie weder berufs- noch erwerbsunfähig.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren klärte die Beklagte die Sehfähigkeit der Klägerin dahingehend ab, dass diese zum Autofahren Kontaktlinsen wegen Kurzsichtigkeit und Stabsichtigkeit tragen müsse. Nach Auswertung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen kam der Internist Dr.S. zum Ergebnis, dass die Klägerin nach wie vor für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter nur qualitativen Einschränkungen vollschichtig einsatzfähig sei. Dem folgend wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.1999 den Widerspruch als unbegründet zurück, wobei sie zusätzlich zu den im Ausgangsbescheid genannten qualitativen Einschränkungen den Ausschluss von besonderen Anforderungen an das Sehvermögen anführte.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Das SG hat aktuelle Befund- und Behandlungsberichte (Dr.K. - Allgemeinärztin, Dr.G. - Neurologe/Psychiater, Dr.Z. - Psychiaterin) beigezogen und ein psychiatrisches Gutachten des Prof.Dr.S. (08.06.2000) eingeholt. Prof.Dr.S. hat unter Würdigung der ärztlichen Vorbefunde, der bildgebenden und Labordiagnostik sowie aufgrund ausführlicher Untersuchung keine wesentliche Gesundheitsstörung auf psychiatrischer Seite festgestellt. Klassische Hinweise auf eine endogene Depression fehlten ebenso wie konkrete Anzeichen einer psychogenen Depression. Nach den Angaben der Klägerin fühle sie sich beruflich und privat nicht zuletzt durch die Sorge und Betreuung von insgesamt vier Enkeln und der komplett alleinigen Haushaltsführung völlig überfordert. Aus psychiatrischer Sicht sei deshalb das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin nicht eingeschränkt.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG ein neurologisch/psychiatrisch/psychotherapeutisches Gutachten des Dr.L. eingeholt (19.10.2000), welcher ausgeführt hat, bei der Klägerin seien aufgrund des in der Untersuchung beobachteten Verhaltens, des Wakefield-Selfassessment Depression Inventory sowie des Hamilton-Rating-Scale for Depression Anzeichen einer Depression bzw. einer mittleren Depression festzustellen. Wegen einer ausgeprägten posttraumatischen Belastungsreaktion mit über 2 1/2- jährigem Verlauf ohne entscheidende Besserung sei sie in ihrer Leistungsfähigkeit sowei...

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