Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht: Erstattung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung bei rückwirkender Heraufsetzung des GdS auf mindestens 50

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG ermöglicht die Kostenerstattung ausschließlich für die Fälle, dass der Berechtigte zunächst einen Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung gehabt hat, dieser dann rechtswidrig weggefallen ist und später wieder rückwirkend zuerkannt wird. Eine Kostenerstattung ist daher immer dann ausgeschlossen, wenn in der Vergangenheit noch gar kein Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung zuerkannt gewesen ist.Eine analoge Anwendung ist ausgeschlossen.

2. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt nicht in Betracht, da eine Erstattung der Kosten für die private Krankenversicherung auch bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln nicht möglich gewesen wäre.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Selbstbehalten und selbst geleisteter Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2008 nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) in Verbindung mit den Regelungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Der im Jahr 1944 geborene Kläger war Soldat der Bundeswehr vom 01.10.1963 bis 30.09.1969; u.a. war er als Radarmechaniker tätig. Im Jahr 1994 erkrankte er an einem Nierentumor.

Nach ablehnendem Bescheid vom 03.05.2001 wurde mit (Teilabhilfe-)Bescheid des Trägers der damals zuständigen Versorgungsverwaltung vom 05.05.2004 eine Tumornephrektomie als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE; jetzige Bezeichnung: Grad der Schädigungsfolgen - GdS) wurde von Januar 1997 bis Juli 1999 mit 60 v.H. und ab August 1999 mit 25 v.H. angenommen. Mit weiterem (Teilabhilfe-)Bescheid vom 13.07.2004 wurde für die Zeit von Juli 1994 bis Dezember 1996 eine MdE von 60 v.H. anerkannt. In Ausführung eines vor dem Sozialgericht (SG) München geschlossenen Vergleichs vom 16.05.2007 erließ der Beklagte am 11.10.2007 einen Ausführungs- und Überprüfungsbescheid, der für die Zeit ab 01.08.1999 eine MdE von 40 v.H. anerkannte. Eine Höherbewertung der MdE und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs wurden abgelehnt. Auf Widerspruch des Klägers hin wurde mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 15.10.2008 der GdS (rückwirkend) für die Zeit ab 01.08.1999 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit auf 50 erhöht.

Mit Schreiben vom 22.12.2008 beantragte der Kläger, der bis Dezember 2008 privat krankenversichert war, die Rückerstattung seiner zur privaten Krankenversicherung gezahlten Versicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2008 sowie der jährlichen Selbstbehalte. Er begründete dies mit seinem Anspruch auf freie Heilfürsorge nach § 10 Abs. 2 BVG. Aufgrund falscher Entscheidungen des Trägers der Versorgungsverwaltung - so der Kläger weiter - sei ihm ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 09.01.2009 lehnte der Träger der Versorgungsverwaltung diesen Antrag ab. Der Umfang der Heilbehandlung nach dem BVG sei erschöpfend in § 11 Abs. 1 BVG geregelt. Danach könnten nur u. a. ärztliche Leistungen übernommen bzw. deren Kosten in Ausnahmefällen erstattet werden. Krankenkassenbeiträge und Selbstbehalte könnten nicht erstattet werden.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Durch fehlerhafte Entscheidungen des Trägers der Versorgungsverwaltung sei die ihm zustehende Heilbehandlung jahrelang verhindert worden. Er sei gezwungen gewesen, sich auf eigene Kosten zu versichern. Dies sei in seinen Augen eine rechtswidrige Bereicherung des Trägers der Versorgungsverwaltung. Der entstandene Schaden sei ihm zu ersetzen.

Mit Schreiben vom 28.01.2009 erläuterte der Träger der Versorgungsverwaltung dem Kläger ausführlich, dass ein Ersatz von Beitragsleistungen zu einer Krankenversicherung im sozialen Entschädigungsrecht nur unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG vorgesehen sei, die aber im Fall des Klägers nicht erfüllt seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2009 wies der der Träger der Versorgungsverwaltung den Widerspruch daher zurück.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben seiner damaligen Bevollmächtigten vom 24.02.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) München (Aktenzeichen des Klageverfahrens: S 33 VS 7/09). Er hat den geltend gemachten Erstattungsanspruch mit 37.576,50 € beziffert, wobei dieser Betrag auch Beiträge zur Pflegepflichtversicherung enthält. Die Klage ist damit begründet worden, dass der GdS von 50 erst mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2008 anerkannt worden sei, obwohl der Kläger "bereits im Jahr 2002" einen Antrag gestellt habe. Bei ordnungsgemäßer und zeitnaher Bearbeitung hätte dieser GdS schon viel früher...

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