Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Heil- und Krankenbehandlung. rückwirkende Zuerkennung. kein vorheriger Anspruchswegfall iSd § 18 Abs 4 S 3 BVG. keine Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Eine ausweitende bzw analoge Anwendung des § 18 Abs 4 S 3 BVG für die Fälle, in denen die Versorgungsverwaltung zunächst rechtswidrig die Gewährung von Heil- und Krankenbehandlung nach dem BVG verweigert hat und der Versorgungsberechtigte daher seine (private) Krankenversicherung beibehalten hat, ist - auch unter Berücksichtigung von Art 3 GG - nicht zulässig (vgl BVerfG vom 21.3.2007 - 1 BvR 164/07 = SozR 4-3100 § 18 Nr 3 und BSG vom 28.1.1975 - 10 RV 63/74 = SozR 3100 § 18 Nr 3).

2. Einer Erstattung der Kosten der privaten Krankenversicherung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht entgegen, dass der Kläger diese auch bei rechtmäßiger Zuerkennung der Heil- und Krankenbehandlung nicht erhalten hätte (vgl LSG München vom 12.12.2002 - L 18 V 16/01 und LSG Stuttgart vom 13.5.2005 - L 8 VG 1060/04).

3. Die Zahlung von Versicherungsbeiträgen zur privaten Krankenversicherung gehört nicht zu den in § 11 BVG näher beschriebenen Maßnahmen der Heilbehandlung, sodass sie nicht nach § 10 Abs 8 BVG zu ersetzen sind.

4. Auch § 18 Abs 3 BVG ermöglicht nicht die Erstattung von Beiträgen zu einer Krankenversicherung.

 

Normenkette

BVG § 18 Abs. 1, 3, 4 Sätze 1, 3, §§ 11, 10 Abs. 2, 8, § 9; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 34; BGB § 839

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.10.2013; Aktenzeichen B 9 V 6/13 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von Aufwendungen für eine private Krankenversicherung, zudem macht er einen Anspruch auf Erstattung von ihm aufgewandter Heilbehandlungskosten geltend.

Der im Jahre 1932 geborene Kläger wurde am 28.01.1944 durch einen Sprengkörper verletzt. Mit Bescheid vom 12.06.1954 wurden als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) der Verlust der Finger I bis IV der linken Hand und winzige Weichteilstecksplitter im Gesicht anerkannt: Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit Bescheid vom 12.06.1954 ab dem 01.06.1951 auf 40 v.H. geschätzt.

Ein Antrag des Klägers vom 06.03.1994 auf Aufhebung des Bescheides vom 12.06.1954 wurde abgelehnt. In dem sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren wurde der Beklagte durch Urteil des Bayer. Landessozialgerichts (Bayer. LSG) vom 27.11.2003, Az.: L 15 V 55/99, dazu verurteilt, dem Kläger ab dem 01.01.1990 Versorgungsrente nach einer MdE von 50 v.H. zu gewähren.

Als sich im Verfahren vor dem Bayer. LSG abgezeichnet hatte, dass eine MdE in Höhe von 50 v.H. anzuerkennen sei, stellte das damals zuständige Versorgungsamt Düsseldorf unter Hinweis auf § 10 Abs. 8 BVG mit Bescheid vom 16.07.2002 fest, dass die Voraussetzungen vorlägen, dem Kläger Heilbehandlung nach § 10 Abs. 1 und 2 BVG zu gewähren, und wies ihn einer gesetzlichen Krankenversicherung zu.

Die bis dahin bestehende private Krankenversicherung des Klägers endete infolge seiner Kündigung zum 30.09.2002.

Am 30.09.2002 beantragte der Kläger beim damals zuständigen Versorgungsamt Düsseldorf die Erstattung der von ihm in den Jahren 1990 bis 2002 gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt über 56.000,- €.

Mit Bescheid vom 05.11.2002 lehnte es das Versorgungsamt Düsseldorf ab, Beiträge zur privaten Krankenversicherung für einen zurückliegenden Zeitraum zu erstatten. Dies wurde damit begründet, dass die gesetzliche Regelung des § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG eine Erstattung nicht zulasse.

Dagegen erhob der Kläger am 25.11.2002 Widerspruch. Bei einer antragsgemäßen Anerkennung der Schwerbeschädigteneigenschaft - so der Kläger - wären ihm seine Krankenversorgungsansprüche nach § 10 BVG nicht vorenthalten, sondern seit dem 01.01.1990 zuerkannt worden. Daraus folge, dass ihm die durch ein Verschulden der Versorgungsverwaltung verursachten Kosten, hier die Aufwendungen für eine private Krankenversicherung, zu erstatten seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2004 wurde der Widerspruch des Klägers, der zwischenzeitlich in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten umgezogen war, zurückgewiesen. § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG lasse eine Erstattung der Beiträge nicht zu. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift habe das Bundessozialgericht (BSG) ausdrücklich abgelehnt.

Am 18.08.2004 hat der Kläger dagegen Klage zum Sozialgericht München erhoben. Als Schwerbeschädigter - so der Kläger - habe er Anspruch auf eine umfassende Heil- und Krankenbehandlung. Bereits nach den Anhaltspunkten 1965 hätte ihm eine Grundrente nach einer MdE von 50 v.H. zugestanden. Erst mit Urteil des Bayer. LSG vom 27.11.2003 sei er rückwirkend ab dem 01.01.1990 als Schwerbeschädigter anerkannt worden....

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