Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt (hier: Nervenarzt). Teilnahme. hausärztliche Versorgung. Aufteilung in haus- und fachärztlichen Bereich verfassungsgemäß

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung durch einen Nervenarzt.

 

Orientierungssatz

Die Aufteilung der vertragsärztlichen Versorgung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Bereich ist mit der Verfassung vereinbar (vgl BVerfG vom 17.6.1999 - 1 BvR 2507/97 = SozR 3-2500 § 73 Nr 3).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.11.2005; Aktenzeichen B 6 KA 12/05 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.02.2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat dem Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt zusätzlich zu der ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit als Nervenarzt die Berechtigung zur Teilnahme auch an der hausärztlichen Versorgung. Der am … 1945 geborene Kläger ist seit 1. Juli 1988 als Nervenarzt in C. niedergelassen. Seit 1. Oktober 1993 übt er die vertragsärztliche Tätigkeit in fachübergreifender Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehefrau, Frau I. W., Ärztin ohne Gebietsbezeichnung, aus. Mit Schreiben vom 3. August 2000 hat der Kläger beantragt, ihn zusätzlich zur bisher schon ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit als Nervenarzt auch zur hausärztlichen Tätigkeit zuzulassen. Die Behandlung von Psychoseerkrankten, Persönlichkeitsgestörten, Neurotikern, Borderlinegestörten, austherapierten Angst- und Depressionserkrankten, Demenzerkrankten, MS-Erkrankten, Epilepsieerkrankten, Parkinsonerkrankten, gelähmten Schlaganfall-Patienten, Behinderten in therapeutischen Wohneinrichtungen, Altenheimbewohnern und Pflegebedürftigen in Pflegeheimen würde die hausärztliche Domäne des Nervenarztes darstellen, den man korrekt auch als Spezialhausarzt für besonders schwer Erkrankte bezeichnen könne. Die Versorgung dieses typischen nervenärztlichen Patientenklientels erfordere - bisher von niemandem bestritten - zwingend die in § 73 Abs.1 SGB V aufgelisteten hausärztlichen Tätigkeiten. Dem werde im EBM auch Rechnung getragen, wonach der Nervenarzt als spezialisierter Hausarzt wie auch der formal anerkannte Hausarzt Patienten in Alten- und Pflegeheimen abrechnen dürfe, wie den entsprechenden Gebührenordnungsnummern 14 und 15 des EBM zu entnehmen sei, die ausdrücklich auch den Nervenärzten offen gehalten seien. Wenn schon der Gesetzgeber und die Vertragspartner offensichtlich die kleine Gruppe der Nervenärzte als Spezialhausärzte übersehen hätten, so bitte er wenigstens den Zulassungsausschuss, ihm formal die Genehmigung zu erteilen, die hausärztliche Tätigkeit entsprechend dem § 73 Abs.1 SGB V durchführen zu dürfen. Widrigenfalls könnte ihm sogar die Kassenzulassung entzogen werden, wenn er die unter Punkte 1 bis 4 des § 73 Abs.1 SGB V aufgeführten Tätigkeiten weiter erbringe, was ja formal unzulässig sei, wenn die vorherige Genehmigung des Zulassungsausschusses nicht vorliege. Mit weiterem Schriftsatz vom 18. September 2000 hat der Kläger geltend gemacht, einen Anspruch auf Rechtssicherheit zu haben. Der Gliederungsauftrag des Gesetzgebers in § 73 Abs.1 SGB V verstoße verfassungswidrig gegen das Berufsausübungsfreiheitsrecht, wenn er als Nervenarzt aus rechtlichen Gründen von einer hausärztlichen Tätigkeit unter Strafandrohung ausgeschlossen werde, die aus sachlich-medizinischen Gründen für den Facharzt der Nervenheilkunde zwingend erforderlich sei, um die Tätigkeit als Nervenarzt überhaupt ausüben zu können. Andererseits schließe der Gliederungsauftrag des § 73 SGB V nicht explizit aus, dass nicht in besonders begründeten Fällen sowohl die hausärztliche als auch die fachärztliche Tätigkeit in Personalunion eines einzelnen Arztes zugelassen werden könne.

Der Zulassungsausschuss Ärzte Oberfranken hat den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 1. Dezember 2000/Bescheid vom 29. Dezember 2000 abgelehnt. Gemäß § 73 Abs.1a SGB V würden an der hausärztlichen Versorgung Allgemeinärzte, Kinderärzte, Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt hätten, Ärzte, die nach § 95a Abs.4 und 5 Satz 1 SGB V in das Arztregister eingetragen seien, und Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen hätten, teilnehmen. Die übrigen Fachärzte würden an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Vor diesem Hintergrund habe der Antrag des Klägers auf Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung zusätzlich zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Nervenarzt abgelehnt werden müssen. Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 5. Januar 2001. Das SGB V schließe nicht aus, dass eine Tätigkeit sowohl als Facharzt als auch in der Funktion als Hausarzt in Personalunion zulässig sei. Zudem setze sich der Beschluss nicht mit dem Konflikt auseinander, dass diese Leistungen, die entsprechend § 73 Abs.1 SGB V den Hausärzten ausnahms...

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