Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Fehlen einer offensichtlichen Unrichtigkeit des Medicproof Gutachtens.
2. Auch im Recht der privaten Pflegeversicherung besteht keine Regelungslücke für den Pflegebedarf von Kindern.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 19. November 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der privaten Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III statt II über den 30. April 2011 hinaus für den Sohn des Klägers, A..
Der Kläger ist bei der Beklagten privat pflegeversichert. Der Versicherungsschein umfasst auch Leistungen für seinen 2000 geborenen Sohn, der von seinen Eltern R. und A. gesetzlich vertreten wird. Am 18. Dezember 2007 waren bei diesem erstmals heftige Kopfschmerzen aufgetreten und im Anschluss ein desmoplastisches Medulloblastom (Tumor des Kleinhirns) diagnostiziert worden. Es erfolgte ein operativer Eingriff mit Teilresektion des Tumors und anschließender Chemotherapie.
Ab 20. Februar 2008 erhielt der Kläger für seinen Sohn Leistungen nach Pflegestufe III. Dem lag ein Gutachten der M. GmbH vom 15. Februar 2008 zugrunde, nach dem der Hilfebedarf in der Grundpflege 244 Minuten, in der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten betrage. Es bestehe ein Posterior-Fossasyndrom, ein cerebellärer Mutismus mit Verhaltensveränderung, ein Psychosyndrom nach ausgedehnter Tumorresektion des Hirns sowie eine Stuhl- und Harninkontinenz. Eine Hand-Mund-Koordination bestehe nicht, das Sprachvermögen sei aufgehoben. Es träten spontane Weinkrämpfe mit linksseitigen Gesichtskrämpfen auf. Eine Gehfähigkeit sei nicht gegeben. Ferner lägen anhaltende Schluckstörungen vor, so dass das Kind mittels Portkatheder ernährt werde. Die Alltagskompetenz sei erheblich eingeschränkt.
Seit Oktober 2009 konnte wieder die Schule besuchen, 2010 wechselte er ins Gymnasium. Eine Schulbegleiterin ist erforderlich.
Eine Wiederholungsbegutachtung durch die M. GmbH vom 4. April 2011 ergab, dass inzwischen mit 126 Minuten täglichem Grundpflegebedarf ein verringerter Pflegebedarf vorliege; der Hilfebedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung wurde auf 60 Minuten geschätzt. Es sei daher nur noch Pflegestufe II gegeben. Im Vordergrund stehe nun die eingeschränkte selbstständige Steh- und Gehfähigkeit, die Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, die Einschränkungen der Handmotorik, das langsame Arbeitstempo und die Sprachauffälligkeiten. A. sei wieder kontinent. Hilfe werde vor allem bei dem Waschen und Duschen (insgesamt 27 Minuten) benötigt, wobei nur noch eine teilweise Übernahme notwendig sei. Beim Toilettengang (16 Minuten) sei noch eine Hilfe beim Aufsuchen der Toilette und beim Wiederaufstehen notwendig. 10 Minuten wurde an Hilfe beim Zähneputzen angerechnet. Im Bereich Ernährung seien 10 Minuten Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung erforderlich. Im Bereich der Mobilität benötige der Jugendliche Hilfen beim An- und Auskleiden (10 Minuten), beim Gehen (44 Minuten) und bei Treppensteigen (9 Minuten). Die Alltagskompetenz wurde als nicht mehr eingeschränkt bewertet.
Die Beklagte teilte unter Bezugnahme auf das Begutachtungsergebnis dem Kläger im Schreiben vom 15. April 2011 mit, dass sie ab 1. Mai 2011 nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe II erbringen werde.
Mit E-Mail vom 3. Mai 2011 und Schreiben vom 5. Juni 2011 erhoben die Eltern dagegen "Widerspruch". Sie schilderten den Tagesablauf und den Hilfebedarf ihres Kindes. sei bei Weitem nicht so selbstständig, wie das die Beurteilung glauben machen möchte. Sie haben ein Wochenprotokoll vom 23. bis 29. Mai 2011 vorgelegt und den Grundpflegemehrbedarf auf 465 Minuten geschätzt. müsse von der Pflegeperson ständig beaufsichtigt werden, es bestehe Sturz- und Verletzungsgefahr rund um die Uhr. Bei den meisten Tätigkeiten brauche er außerdem mindestens teilweise Unterstützung.
Die Beklagte holte ein Zweitgutachten der M. GmbH vom 12. Juli 2011 durch Dr. S. ein, nach dem der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege 215 Minuten betrage, in der Hauswirtschaft 60 Minuten, so dass nur die Pflegestufe II gegeben sei. Es finden sich umfassende Ausführungen zu dem notwendigen Hilfebedarf in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität. Zu den Angaben gemäß dem Wochenplan wurde Stellung bezogen.
Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 mit, dass ihr Schreiben vom 15. April 2011 seine Gültigkeit behalte.
Mit der Klage zum Sozialgericht Bayreuth hat sich der Kläger weiter gegen die Absenkung der Pflegegeldleistung von Pflegestufe III auf II ab 1. Mai 2011 gewandt. Außerdem beantragten die Eltern mit Schreiben vom 8. September 2011 bei der Beklagten die Wiedereinstufung in die Pflegestufe III; über diesen Antrag hat die Beklagte noch nicht entschieden.
Das Gericht hat aktuelle Befundberichte mit Angaben der durchgeführten Beh...