Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung: Anspruch auf Erteilung einer rückwirkenden Genehmigung zur Teilnahme an einem Strukturvertrag. Anwendbarkeit der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Restitution wegen der Verletzung von Nebenpflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung sind die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht anwendbar, da kein Sozialrechtsverhältnis besteht und die Kassenärztliche Vereinigung kein Leistungsträger i.S.v. § 12 SGB I ist.
2. Eine Restitution wegen der Verletzung von Nebenpflichten aus einem öffentlich rechtlichen Schuldverhältnis ist im Verhältnis Vertragsarzt/Kassenärztliche Vereinigung ausgeschlossen, weil das Mitgliedschaftsverhältnis (§ 77 Abs. 3 S. 1 SGB V) kein Schuldverhältnis ist, sondern umfassend durch die Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung und die Normen des SGB V geprägt wird.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.07.2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die rückwirkende Teilnahme am Strukturvertrag in den Quartalen 4/2004 bis 4/2007.
Der Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und seit dem Quartal 4/2004 in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. An der Sozialpsychiatrischen Vereinbarung nimmt er seit 15.11.2004 teil.
Am 23.05.2008 beantragte er die rückwirkende Teilnahme am Strukturvertrag bezüglich der von ihm erbrachten Leistungen der Nrn. 846, 849 und 960 EBM a.F. beziehungsweise 14220, 141222 und 14310 EBM 2000+ mit dem Ziel, dass diese Leistungen mit dem Punktwert nach dem Strukturvertrag vergütet werden. Zur Begründung verwies er im Schreiben vom 24.07.2008 auf die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses bei der Beklagten bestünden für diese umfangreiche Auskunfts-, Aufklärungs- und Beratungspflichten, insbesondere bei neuen Niederlassungen. Der Kläger habe darauf vertrauen können, umfassend über Strukturverträge informiert zu werden. Hilfsweise stellte er einen Antrag nach § 44 SGB X.
Mit Bescheid vom 17.09.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine rückwirkende Genehmigung der Teilnahme am Strukturvertrag sei grundsätzlich nicht möglich. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2009 zurück. Die Teilnahmeerklärung sei erst am 26.05.2008 eingegangen. Die Beklagte habe dem Kläger den Strukturvertrag mit einer Teilnahmeerklärung am 29.07.2004 zugesandt. Damit sei sie ihren Sorgfaltspflichten in ausreichendem Maße nachgekommen. Im Übrigen habe jeder Arzt eine Pflicht zur Information, die sich allgemein aus der Berufsordnung für Ärzte ergebe. Außerdem werde jedes Quartal eine Übersicht der Auszahlungspunktwerte in der Mitgliederzeitschrift KV-Blickpunkt veröffentlicht. Durch einen Vergleich der Punktwerte aus der Übersicht mit den Quartalsabrechnungen hätte der Kläger bereits im Quartal 4/2004 erkennen können, dass die geförderten Strukturvertragsleistungen nicht mit dem Strukturvertragspunktwert vergütet worden seien.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG). Er machte erneut einen Herstellungsanspruch geltend. Aufgrund seiner Unerfahrenheit bei der Praxisgründung und der Vielzahl der neuen Regelungen sei ihm erst im Mai 2008 aufgefallen, dass die Leistungen nicht mit dem Strukturvertragspunktwert vergütet worden seien. Die Beklagte habe bisher nicht nachgewiesen, dass sie dem Kläger bereits im Jahr 2004 eine Teilnahmeerklärung zum Strukturvertrag zugesandt habe. Er habe jedoch seinen Willen zur Teilnahme am Strukturvertrag bereits im Schreiben vom 26.07.2004 (Erhebungsbogen) eindeutig geäußert.
Mit Urteil vom 06.07.2011 wies das SG die Klage ab. Die Versagung der rückwirkenden Genehmigung sei rechtmäßig. Die Unkenntnis des Klägers sei rechtlich unbeachtlich. Er habe die Möglichkeit gehabt, anhand der für jedes Quartal veröffentlichten Übersicht der Auszahlungspunktwerte festzustellen, dass er nicht den Strukturvertragspunktwert erhalten hatte. Die Beklagte müsse nicht beweisen, dass sie dem Kläger die Erklärung über die Teilnahme am Strukturvertrag zugeschickt habe. Vielmehr müsse der Kläger beweisen, dass er bereits ab dem Quartal 4/2004 die Voraussetzungen für eine Teilnahme am Strukturvertrag erfüllt habe. Es liege im Verantwortungsbereich des Klägers als Vertragsarzt, die notwendigen Schlüsse und praktischen Folgerungen aus den dem Honorarbescheid zu Grunde liegenden Unterlagen zu ziehen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch modifizierte diese Grundsätze nicht.
Gegen das am 07.12.2011 zugestellte Urteil legte der Kläger am 09.01.2012 Berufung ein. Zur Begründung wurde der bisherige Vortrag wiederholt.
Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schr...