Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz: Erstattung von Kosten für ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel und der über den Festbetrag hinausgehenden Mehrkosten. Kostenübernahme für eine Zahnerhaltungsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Entscheidung über einen Befangenheitsantrag in der mündlichen Verhandlung bei Abwesenheit des Klägers.
2. Zur Versorgung mit Arzneimitteln als Pflichtleistung gem. § 11 BVG und im Wege des Härteausgleichs gem. § 89 BVG.
3. Ein Härteausgleich im Rahmen der Heilbehandlung kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn es nicht um die Behandlung von anerkannten Schädigungsfolgen geht.
4. Bei Festbetragsarzneimitteln ist im Rahmen der Heilbehandlung nach dem BVG nur eine Erstattung des Festbetrags möglich; eine Erstattung der darüber hinaus gehenden Mehrkosten ist ausgeschlossen.
5. Im Rahmen der Versorgung nach dem BVG ist für Zahnersatz der doppelte Festzuschuss im Sinn der krankenversicherungsrechtlichen Regelungen zu gewähren. Aus dem Sachleistungsprinzip ergibt sich kein weitergehender Anspruch.
Orientierungssatz
Ist über einen kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag des Klägers vor der mündlichen Verhandlung noch nicht entschieden, so besteht unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes des rechtlichen Gehörs kein Anlass, in der mündlichen Verhandlung wegen des Nichterscheinens des Klägers nicht durch Urteil zu entscheiden, sondern zu vertagen (vgl. BSG, 1. August 2000, B 9 SB 24/00 B).
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen der Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Kostenerstattung für das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Cardiavis N, die Erstattung der über den Festbetrag hinausgehenden Mehrkosten für das Arzneimittel Voltaren 100 und die Übernahme der Kosten für eine Zahnerhaltungsmaßnahme gemäß Heil- und Kostenplan vom 22.11.2006.
Der Kläger ist Schwerbeschädigter mit einem Grad der Schädigung (GdS) von 50; als Schädigungsfolgen nach dem BVG sind der Verlust der Finger I bis IV der linken Hand und winzige Weichteilstecksplitter im Gesicht anerkannt. Wegen seines Anspruchs auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 2 BVG ist er der Beigeladenen zugewiesen.
Am 26.08.2005 beantragte der Kläger die Erstattung von im Jahr 2004 angefallenen Kosten für die Anschaffung des nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels Cardiavis N in Höhe von 15,95 €, zudem für das Arzneimittel Gelomyrtol in Höhe von 6,45 €. Weiterhin begehrte er die Kostenübernahme der Zuzahlung für das Arzneimittel Voltaren 100 in Höhe von 12,10 €.
Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten wies dazu am 18.11.2005 darauf hin, dass Cardiavis N kein verschreibungspflichtiges Arzneimittel sei und auch in keinem Zusammenhang mit Schädigungsfolgen stehe. Voltaren sei rezeptpflichtig und für die Behandlung der Schädigungsfolgen erforderlich, sofern es sich um Schmerzzustände, Schwellungen oder Entzündungen im Bereich der Schädigungsfolgen handle.
Mit Bescheid vom 07.09.2005 lehnte die Beigeladene die Erstattung ab. Grund für die Ablehnung war zum einen, dass die Arzneimittel Cardiavis N und Gelomyrtol nicht verschreibungspflichtig seien und daher von der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen werden könnten, zum anderen, dass die Mehrkosten für Voltaren keine gesetzliche Zuzahlung seien und daher eine Kostenübernahme nicht möglich sei.
Der Kläger erhob dagegen mit Schreiben vom 09.10.2005 Widerspruch, wobei er die Erstattung für das Arzneimittel Gelomyrtol "nicht weiter beansprucht".
Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten äußerte sich am 29.06.2006 im Rahmen einer versorgungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage nochmals zum Arzneimittel Cardiavis N und wies darauf hin, dass es sich dabei um ein unspezifisches Herz-Kreislaufmittel handle, das für die Behandlung unspezifischer Beschwerde ohne konkrete Zuordnung zu einer organischen Erkrankung gedacht sei. Beim Kläger sei auch keine Hypotonie bekannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2006 wies der Beklagten den Widerspruch zurück. Cardiavis N sei als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel grundsätzlich von der Versorgung nach §§ 34, 31 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausgeschlossen. Auch eine Kostenerstattung im Rahmen des Härteausgleichs gemäß § 89 BVG komme bei Cardiavis N nicht in Betracht, da das Arzneimittel nicht zur Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen benötigt werde.
Dagegen hat der Kläger am 07.08.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben (Verfahren mit dem Aktenzeichen S 33 V 31/06).
Weiter legte der Kläger einen Heil- und Kostenplan vom 22.11.2006 für eine zahnärztliche Behandlung vor. Der Heil- und Kostenplan umfasste Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 571,90 €. Den Betrag für den Festzuschuss bezifferte die Zahn...