Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Überleitungsanzeige. erweiterte Sozialhilfe. Brutto-Prinzip. Sachleistungsverschaffung. Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers. gespaltener Rechtsweg. Prüfungsintensität. sozialgerichtliches Verfahren. keine Kostenfreiheit
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen einer Überleitung.
2. Zur Prüfungsintensität zivilrechtlicher Vorfragen (Negativevidenz).
3. Bei der Anfechtungsklage des Schuldners eines Rückgewähranspruchs wegen einer Schenkung besteht keine Kostenfreiheit iS von § 183 Abs 1 S 1 SGG.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.05.2010 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die von der Beklagten vorgenommene Überleitung eines zivilrechtlichen Anspruchs der verstorbenen Hilfeempfängerin F. W. gegenüber dem Kläger.
Der 1965 geb. Kläger ist ein Enkel der W. Der Beklagte als Träger der Sozialhilfe leistete der Hilfeempfängerin Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen durch die Unterbringung in einem Altenheim vom 28.01.2001 bis zu deren Tod am 11.02.2005 mit einem eigenen Leistungsumfang von rund 28.300 €.
Die Mutter des Klägers (Tochter der W.) hatte dieser mit notariellem Vertrag vom 22.07.1965 ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in B. abgekauft. Unter Nr. XIV des Vertrages wurde der W. ein Leibgeding in Form eines Wohnrechts an bestimmten Räumen zugewandt.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 15.04.1976 übernahm der Kläger das Anwesen von seiner Mutter und verpflichtet sich, der W. ein Wohnrecht in dem neu errichten Anbau und ein Nutzungsrecht an den Gemeinschaftsflächen, insbesondere am Garten, einzurichten (Nr. 16 des Vertrages). Dieses wurde im Grundbuch eingetragen.
Mit notarieller Urkunde vom 27.06.1991 verzichtete W. zu Gunsten des Klägers auf das im Grundbuch eingetragene Wohn- und Mitbenutzungsrecht und stimmte der Löschung zu. Am gleichen Tag veräußerte der Kläger das Grundstück.
Mit Bescheid vom 15.09.2005 (unter Anfügung der Anzeige vom 14.09.2005) zeigte der Beklagte gegenüber dem Kläger an, dass der Anspruch auf Rückforderung wegen des Verzichts der Leistungsberechtigten an den Beklagten übergeleitet werde. Insgesamt bezeichnete die Beklagte vier Anspruchsgrundlagen: §§ 985 ff., 846, 528,812 ff. Die Verzichtserklärung und die damit verbundene Wertsteigerung der verkauften Immobilie enthalte eine Schenkung. Die Leistungsberechtigte sei außer Stande gewesen, ihren Unterhalt zu bestreiten und hätte daher gemäß § 528 BGB vom Kläger die Schenkung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern können.
Den Widerspruch des Klägers, damit begründet, dass keine Schenkung zu Gunsten des Klägers vorgelegen habe, wies die Regierung von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2006 zurück. Bei der Überleitung sei nicht zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Anspruch bestehe. Lediglich bei einem offensichtlichen Nichtbestehen sei die Überleitung rechtswidrig.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. W. sei am Abschluss des notariellen Kaufvertrags vom 15.04.1976 nicht beteiligt gewesen. Daher sei auch kein Wohnrecht für diese entstanden. Im Übrigen sei das Wohnrecht wertlos. Da das Wohnrecht nicht wirksam zu Gunsten der Leistungsberechtigten entstanden sei, handele es sich bei der Löschungsbewilligung nicht um eine Schenkung, sondern um eine Grundbuchberichtigung.
Mit Urteil vom 18.5.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Voraussetzungen für den Übergang von Ansprüchen gemäß § 93 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vorliegen würden. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung bestünden nicht. Der Beklagte habe sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt und insbesondere den Aspekt der sparsamen Bewirtschaftung der öffentlichen Mittel mit den Belangen des Drittverpflichteten abgewogen. Die Überleitung sei auch nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der übergeleitete Anspruch nicht bestehe. Es liege keine erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige vor (sog. Negativevidenz). Ein Anspruch der ehemaligen Leistungsberechtigten auf Rückforderung komme zumindest in Betracht, da die wirksame Einräumung des Nießbrauchs an dem Grundstück zu Gunsten der Leistungsempfängerin möglich sei. Nach § 873 BGB entstehe ein Recht an einem Grundstück mit der Einigung der Beteiligten und der Eintragung in das Grundbuch. Die Zustimmung der Leistungsberechtigten sei dabei grundsätzlich formfrei.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und im Wesentliche sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2010 sowie den Bescheid vom 15.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Wohnrecht sei wirksam begründet worden, da die Mitwirkung des begünstigen Drit...