Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Belastungsgrenze. keine analoge Anwendung des § 62 Abs 2 S 5 SGB 5 bei negativen Einkünften
Orientierungssatz
Bei Versicherten, die durch die Berücksichtigung der Familienangehörigen nach § 62 Abs 2 S 2 und S 3 SGB 5 über keine positiven Einkünfte verfügen, ist eine analoge Anwendung des § 62 Abs 2 S 5 SGB 5 nicht möglich.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 26. August 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Berechnung von Zuzahlungen für das Jahr 2004.
Der 1957 geborene Kläger ist wegen des Bezugs von Rente wegen Berufsunfähigkeit bei der Beklagten pflichtversichert. Die Rentenhöhe betrug ab 01.07.2003 655,52 Euro brutto. Abgesehen von Zinseinnahmen von 0,20 Euro im Jahr 2003 bezieht die Familie des verheirateten Klägers keine Einkünfte. Die Kinder des Klägers sind 2000 und 2002 geboren. Der Kläger hat am 22.03.2004 die Befreiung von Zuzahlungen über der Belastungsgrenze beantragt. Die Beklagte hat ein anrechenbares Einkommen von 3.444,00 Euro angenommen und die maßgebliche Belastungsgrenze mit 34,44 Euro festgesetzt. Nachdem der Kläger bereits Quittungen für das laufenden Kalenderjahr von insgesamt 40,00 Euro vorgelegt hatte, hat die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2004 unter Berücksichtigung der Belastungsgrenze von 34,44 Euro einen erstattungsfähigen Betrag von 5,56 Euro errechnet. Die Bevollmächtigten des Klägers legten hiergegen mit Schreiben vom 28.07.2004 Widerspruch ein. Nach Abzug der Freibeträge für die Familienangehörigen stellten sie für den Kläger kein anrechenbares Einkommen fest und kamen zu dem Ergebnis, die Zuzahlungen seien nicht zu leisten. Der Vergleich mit einem Sozialhilfeempfänger könne nicht nachvollzogen werden, der Kläger beziehe keinerlei Leistungen nach dem BSHG und habe auch auf keine dieser Leistungen verzichtet. Die Beklagte bezog sich dagegen auf die Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 19.01.2004, wonach es gerechtfertigt erscheine, generell die Einnahmen des Haushaltsvorstandes nach der Regelsatzverordnung anzusetzen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2004 zurückgewiesen.
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Bayreuth erhobenen Klage beantragten die Bevollmächtigten des Klägers, ihn sowie alle mit ihm Familienversicherten für das Kalenderjahr 2004 von Zuzahlungen zu befreien. Es gehe im Verfahren um die Rechtsfrage, ob gemäß § 62 SGB V ein Mindesteinkommen bei den Berechnungen anzusetzen sei, auch wenn keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG oder vergleichbaren Gesetzen bezogen werde. In § 62 SGB V ergebe sich keine Regelungslücke. Die Verlautbarungen der Spitzenverbände hätten keine gesetzliche Bindungswirkung. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.08.2005 gab der Kläger an, seine Familie und er lebten nur von seiner Rente. Zum Glück habe er eine Eigentumswohnung. Ein altes Haus in Bad B. , das er früher vermietet hatte, stehe seit längerem leer. Bisher sei es ihm nicht gelungen, es zu verkaufen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26.08.2005 die streitgegenständlichen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für das Jahr 2004 weitere 34,44 Euro zu erstatten. Die Belastungsgrenze sei nach § 62 Abs.1 SGB V zu berechnen. Dabei seien die Familienangehörigen mit zu berücksichtigen. Für den Kläger ergebe sich dabei kein anrechenbares Einkommen, es bestehe keine Zuzahlungspflicht. Eine analoge Anwendung von § 62 Abs.2 Satz 5 SGB V auf den Kläger sei nicht zulässig. Es fehle bereits an einer Regelungslücke. Zwar habe der Gesetzgeber durch die Neuordnung der Regelung zur Belastungsgrenze bei Zuzahlungen generell eine Belastungsgrenze vorgesehen, so dass grundsätzlich jeden Versicherten eine Zuzahlungspflicht treffe, die näheren Ausführungen in § 62 Abs.2 Satz 1 bis 3 SGB V zeigten jedoch, dass Familien durch die Einräumung von Freibeträgen für Angehörige einen besonderen Schutz erfahren sollten. Die Anwendung des § 62 SGB V auf Familien ergebe, dass keine Zuzahlungspflicht besteht, wenn das Gesamteinkommen der Familie unterhalb der Freibeträge liege. Dass dies ungewollt war, lasse sich aus § 62 SGB V und der BT-Drs.15/1525 S.77 nicht entnehmen. Eine analoge Anwendung des § 62 Abs.2 Satz 5 SGB V sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Gleichbehandlung geboten. Einkommensschwache Familien seien nicht mit Familien zu vergleichen, die Sozialhilfe beziehen. Die Berufung wurde zugelassen, weil aufgrund der Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen in der Verwaltungspraxis in einer Vielzahl von Fällen wie im vorliegenden Fall verfahren werde. Die am 29.09.2005 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung begründet die Beklagte damit, der Begründung zum Gesundheits-Modernisierungs-Gesetz sei zu entnehmen, dass für alle Versicher...