Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht, selbständige Tätigkeit eines mitarbeitenden GmbH Gesellschafters. Beschäftigung. Weisungsrecht. Rechtsmacht. Beteiligung am Stammkapital. Betriebliche Eingliederung. Freie Gestaltung der Arbeitszeit. Bürgschaft
Leitsatz (amtlich)
Ein mitarbeitender GmbH Gesellschafter kann Weisungen des Geschäftsführers nur aufgrund seiner Gesellschafterrechte verhindern. Besitzt er nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter durch Weisungen der Gesellschafterversammlung aufzuheben oder abzuschwächen, besteht regelmäßig Weisungsgebundenheit. Eine solche Rechtsmacht hat ein mitarbeitender GmbH Gesellschafter nur, wenn er beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterversammlung hat. Ein Anteil von 50% an der Gesellschaft ist dafür nicht ausreichend.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; GmbHG §§ 35, 37 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27. August 2013 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 11. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2011 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter beim Beigeladenen zu 1 in der Zeit vom 01.08.2009 bis zum 01.03.2013 streitig.
Gegenstand des Unternehmens der Beigeladenen zu 1 ist der Handel mit Kraftfahrzeugen aller Art und der Betrieb einer Kfz-Werkstatt.
Der Kläger ist gelernter Kfz-Mechaniker und war von 1985 bis 2008 als Autoverkäufer abhängig beschäftigt.
Der Kläger und der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 gründeten mit notariellem Vertrag vom 04.06.2009 die Beigeladene zu 1 als Betriebsgesellschaft. Beide hielten jeweils 50 % des Stammkapitals von 100.000,00 €. Zugleich wurde eine Besitzgesellschaft gegründet, von der ebenfalls beide jeweils 50 % der Gesellschaftsanteile besaßen. Zum 01.03.2013 veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile an den Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 und beendete seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.
Im Gründungsvertrag der Beigeladenen zu 1 wurde geregelt, dass der Geschäftsführer die Gesellschaft alleine vertritt. Er bedurfte im Innenverhältnis der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit bei folgenden Fällen:
- Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, sowie beim Erwerb von Beteiligungen;
- Aufnahme und Hingabe von Krediten;
- Wechselbegebungen und Verbürgungen;
- Errichtung und Aufgabe von Zweigniederlassungen;
- Bestellung und Abberufung von Prokuristen;
- Versorgungszusagen jeglicher Art;
- Abschluss von Verträgen und Geschäften jeder Art, die im Einzelfall höhere Verpflichtungen als 50.000 € mit sich bringen oder die Gesellschaft für länger als ein Jahr verpflichten;
- alle Geschäfte, die außerhalb des durch den Gesellschaftszweck bestimmten normalen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft liegen.
Verfügungen über Geschäftsanteile bedurften nach diesem Vertrag der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Gesellschafterbeschlüsse wurden mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht das Gesetz etwas anderes vorschreibt. Bei Stimmengleichheit galt ein Antrag als abgelehnt. Die Gesellschafterversammlung war beschlussfähig, wenn das gesamte Stammkapital vertreten war. Lag die Beschlussfähigkeit nicht vor, so war innerhalb von 14 Tagen eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen, die ohne Einschränkung beschlussfähig war. Außerhalb des Unternehmensgegenstandes bestand für die Gesellschafter kein Wettbewerbsverbot.
Am 17.02.2011 beantragten der Kläger und die Beigeladene zu 1 beim Beklagten eine Statusfeststellung nach § 7a SGB IV. Hierbei gaben sie an, dass der Kläger seit dem 04.06.2009 Gesellschafter und seit dem 01.08.2009 in der GmbH beschäftigt sei. Von der Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet. Es bestünden keine vertraglichen Sonderrechte, durch die der Kläger Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern könnte. Darlehen oder Bürgschaften seien nicht übernommen worden.
Aus dem "Anstellungsvertrag eines leitenden Angestellten" vom 01.08.2009 ergibt sich, dass die Parteien sich darüber einig waren, dass der Arbeitnehmer leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz sei. Er sei nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden. Diese richte sich nach den betrieblichen Erfordernissen und sei eigenverantwortlich zu gestalten. Es bestehe ein Urlaubsanspruch von mindestens sechs Wochen. Der Zeitpunkt des jeweiligen Urlaubsantritts sei mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen. Die monatliche Bruttovergütung betrage 3400,00 €. Die Höhe der Weihnachtsgratifikation und ein zusätzlich gewährtes Urlaubsgeld könnten in Anlehnung an den jeweiligen gültigen Tarifvertrag erfolgen. Da...