Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. haftungsbegründende Kausalität. schwere psychische Störungen mit Anpassungsschwierigkeiten. ICD 10. posttraumatische Belastungsstörung. psychische Anlage. wesentliche Bedingung. Abklingen der Symptome. keine zeitliche Begrenzung. zwei Jahre

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (schwere psychische Störungen mit Anpassungsschwierigkeiten) als Folge eines Wegeunfalls.

2. Bei der Kausalitätsbeurteilung psychischer Reaktionen auf Unfallereignisse darf einer entsprechenden psychischen "Anlage" des Verletzten nicht von vornherein eine so überragende Bedeutung beigemessen werden, dass sie fachlich die allein wesentliche Ursache ist und die vom Unfallereignis ausgehenden Einwirkungen auf die Psyche als rechtlich unwesentlich in den Hintergrund treten.

3. Auch wenn die Symptome von psychischen Erkrankungen nach Unfällen in der Regel in wenigen Monaten bzw im Verlauf von ein bis zwei Jahren abklingen, darf daraus nicht auf eine für alle Fälle geltenden Begrenzung solcher Erkrankungen auf 2 Jahre nach dem Unfallgeschehen geschlossen werden.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.02.2004 aufgehoben und die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2000, abgeändert durch den Bescheid vom 16.07.2004, verurteilt, beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Unfalls vom 09.12.1998 festzustellen und ihm Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. über den 08.12.2000 hinaus zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 09.12.1998 über den 08.12.2000 hinaus.

Der 1943 geborene Kläger, als Kundenbetreuer im Vertrieb tätig, erlitt am 09.12.1998 einen Verkehrsunfall im Sinne eines Wegeunfalls, als er auf der Bundesautobahn A 9 wegen eines rechts vor ihm ausscherenden Fahrzeugs zu einer Vollbremsung gezwungen wurde und mit hoher Geschwindigkeit (ca. 170 km/h) die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und zunächst gegen die rechte, dann gegen die linke Leitplanke prallte.

PD Dr.S., Klinikum N., diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 10.12.1998 eine Halswirbelsäulen (HWS)-Distorsion und multiple Prellungen.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die einschlägigen Röntgen- und Kernspinaufnahmen, ein Vorerkrankungsverzeichnis der DAK N., Berichte des Dr. B./K., Orthopädische Gemeinschaftspraxis, N., vom 16.12.1998, des Dr. R., Neurologe und Psychiater, vom 25.01.1999, des Dr. K., Augenarzt, vom 23.02.1999, des Dr. S., Zahnarzt, des Dr. E., Chirurg, Unfallchirurg, vom 31.03.1999, den Entlassungsbericht der Kurklinik M., Bad W., hinsichtlich des stationären Heilverfahrens in der Zeit vom 10.09.1996 bis 08.10.1996, einen ärztlichen Befundbericht des Krankenhauses R., Neurologische Klinik L., vom 04.06.1999 über die stationäre neurologische Behandlung des Klägers in der Zeit vom 13.04. bis 18.05.1999 sowie einen Bericht des Dr. E., HNO-Arzt, vom 14.12.1999 bei und holte ein Gutachten des Dr. H., Arzt für Orthopädie/Chirotherapie, vom 08.09.1999 mit ergänzender Stellungnahme vom 27.10.1999 und ein Gutachten der Dr. K., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 04.09.1999 ein.

Dr. H. kam zu dem Ergebnis, dass mit Ausnahme inzwischen folgenlos verheilter Prellungen keine Unfallschäden entstanden seien.

Dr. K. führte aus, objektivierbare neurologische Ausfälle bestünden nicht. Auffällig sei die emotionale Fixierung auf die subjektiv geäußerten Beschwerden, was sich in einer weitschweifigen Beschwerdeschilderung wie auch in Verdeutlichungstendenzen zeige. Diese festgestellten psychischen Störungen seien persönlichkeitsgebunden und unfallunabhängig. Der Unfall selbst sei nicht geeignet, anhaltende psychoreaktive Störungen hervorzurufen. Eine Disposition zu psychischen Reaktionen sei bekannt, immerhin hätten psychische Reaktionen bereits vor dem Unfall ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses und der vorliegenden Krankenunterlagen zu Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt.

Mit Bescheid vom 26.11.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Nach den vorliegenden Gutachten sei es durch den Unfall zu Prellungen der linken Schulter und der Brustwirbelsäule mit Blutergussbildungen und einer Prellung des Schädels mit Zerrung der Halswirbelsäule gekommen. Diese Verletzungen seien folgenlos ausgeheilt. Unfallunabhängig bestünden verschleißbedingte Veränderungen der Wirbelsäule, insbesondere im Halswirbelsäulenbereich sowie eine Disposition zu psychischen Reaktionen.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2000 als unbegründet zurück.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben. Die Beteiligten schl...

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