Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente: Versicherungsrechtliche Voraussetzungen. Verweisbarkeit eines Versicherten auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente.
Orientierungssatz
1. § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI verlangen ausdrücklich, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen.Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen müssen bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1, 2 SGB VI ebenfalls erfüllt sein.
2. Ein Versicherter, der keine Berufsausbildung absolviert hat und zuletzt mit Hilfstätigkeiten als Näher und Reinigungskraft beschäftigt war, hat damit ungelernte oder allenfalls einfach angelernte Tätigkeiten verrichtet mit der Folge, dass er nach dem Stufenschema des BSG auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Juni 1952 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin, kroatische Staatsangehörige, hat in ihrem Heimatland nach neunjährigem Besuch der Grundschule eine Ausbildung zur Krankenschwester begonnen, diese jedoch nach einem Jahr ohne Abschluss abgebrochen. Im März 1971 ist sie in das Bundesgebiet zugezogen. Sie war dann als Flugzeugreinigerin, nach Zeiten der Kindererziehung als Näherin und zuletzt erneut bis Juni 1994 als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist die Klägerin keiner Tätigkeit mehr nachgegangen.
Im Versicherungsverlauf der Klägerin sind durchgängig von September 1992 bis Januar 1997 Pflichtbeitragszeiten und nach einer Lücke erneut ab 1. Januar 2005 bis September 2005 sowie zuletzt von Januar 2008 bis Dezember 2010 Pflichtbeitragszeiten verzeichnet.
Die Klägerin begehrte erstmals im September 1995 unter anderem wegen eines Wirbelsäulenleidens und Bluthochdrucks Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Nach Ablehnung des Antrags durch Bescheid vom 13. Juni 1996 und Zurückweisung des hiergegen erhobenen Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1996 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) unter dem Az. S 8 RJ 1748/96.
Das SG holte ein internistisches-arbeitsmedizinisches Gutachten von Professor Dr. K. vom 15. Juli 1997, ein psychiatrisches Gutachten von Dr. V. und ein orthopädisches Gutachten von Dr. K. ein. Alle Sachverständigen bescheinigten der Klägerin noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. In der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 1998 endete der Rechtsstreit durch Vergleich, in dem die Beklagte der Klägerin ein Heilverfahren in der Psychosomatischen Klinik Bad D. bewilligte.
Am 9. März 2004 begehrte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 16. März 2004 unter Hinweis auf den Entlassungsbericht der Klinik Bad D. vom 12. November 1998 abgelehnt. Hierin ist festgehalten, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und ständigem Sitzen in Tagesschicht vollschichtig verrichten könne. Auch seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt. Im maßgeblichen Zeitraum 30. Oktober 1996 bis 29. Oktober 2001 seien nur 4 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2004 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum SG unter dem Az. S 10 RJ 1670/04. Das SG zog diverse Befundberichte sowie ein im Rahmen eines Betreuungsverfahrens für das Amtsgericht A-Stadt - Vormundschaftsgericht - erstelltes Gutachten von Dr. S. vom 6. Dezember 2004 bei. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 24. November 2005 mit der Begründung ab, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die besonderen beitragsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr gegeben seien. Eine Vorverlegung des Versicherungsfalls in das Jahr 1998 komme nicht in Betracht, da der Klägerin im Entlassungsbericht der Klinik in Bad D. vom 12. November 1998 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten bescheinigt worden sei.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht unter dem Az. S 14 R 215/06 mit der Begründung ein, bereits im Jahr 1998 nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, einer Erwerbstätigkeit vollschichtig nachgehen zu können. Aufgrund eines Antrags vom 7. August 2001 sei ein Betreuungsverfahren eingeleitet, mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 18. Oktober 2001 die Betreuung für die Aufgaben...